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Personalmanagement – immer noch Stiefkind oder Erfolgsfaktor mit Zukunft?
Aktuellen Studien zufolge gibt es in Deutschland kaum ein Unternehmen, in dem das Personalmanagement wirklich nachhaltigen Einfluss auf die Entscheidungen der Geschäftsleitung ausüben kann. Ein ernüchternder Befund, zumal viele Geschäftsführer meist die Bedeutung ihrer Mitarbeiter für den Unternehmenserfolg betonen! Wie kann dieser Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit behoben werden? Wie lässt sich die Situation in Unternehmen verbessern? Welche Ansätze gibt es und wie können sich Unternehmen auf die Herausforderungen der nächsten Jahre einstellen?

        


 
eld allein ist nicht alles, vor allem wenn es um den Arbeitsplatz geht. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsjunioren Deutschland, an der rund 9.000 Menschen teilgenommen haben. Wichtiger ist den Menschen die Möglichkeit, selbstbestimmt arbeiten zu können. Das Personalmanagement muss dies berücksichtigen. Denn auf die Frage, was einen attraktiven Arbeitgeber ausmacht, nennen 42,5 Prozent selbstbestimmtes Arbeiten an erster Stelle. Flexible Arbeitszeiten schätzen 41,4 Prozent hoch ein. Und 38,4 Prozent der Befragten geben das Gehalt an erster Stelle an. Eher nachrangig sind dagegen Standort und Bekanntheitsgrad des Unternehmens.

»Das ist gerade angesichts des Fachkräftemangels eine gute Botschaft für uns als junge Arbeitgeber«, so Thomas Oehring, Bundesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren, dem größten Verband junger Unternehmer und Führungskräfte. »Denn in den Bereichen, die den Menschen besonders wichtig sind, haben wir als junge mittelständische Unternehmen viel zu bieten: Nirgendwo sonst sind die Möglichkeiten, sich selbst einzubringen, größer als in jungen Unternehmen.«

Dazu ist es notwendig, das wechselseitige Verständnis zwischen Führung und Mitarbeiter zu stärken sowie klare Abstimmungsprozesse zwischen den Bereichen und der Personalfunktion herbeizuführen. In diesem Prozess geht es ebenso um die aktuelle Situation des Business wie um die Zukunftspläne mit allen Chancen und Risiken. Wohin geht also die gemeinsame Reise und welche Rolle spielt der Einzelne dabei?

Die gegenwärtigen Organisationsmuster sind oft ein Relikt aus den Zeiten, in denen höchst wirkungsvolle Befehl-Gehorsam-Strukturen mit Erfolg funktionierten und Mitarbeiter zu Mitläufern und Ja-Sagern degradiert wurden. Heute prägt ein anderes Menschenbild unsere Gesellschaft. Die Endzeit der so genannten Führungsmechaniker ist gekommen, die eine Organisation oder ihre Unternehmen nur als funktionierende Maschinen betrachten. Strukturen und Systeme scheinen, wie Robert Waterman ausführt, oft nur einen Sinn zu haben: Menschen engen Beschränkungen zu unterwerfen und endlose Prozeduren in Verhaltensrichtlinien, Stellenbeschreibungen, Handbüchern, Verträgen und Geschäftsordnungen oder Gebrauchsanweisungen festzuhalten.

So geben unsere bisherigen Systeme den Menschen oft keinerlei Gelegenheit, das zu tun, was sie wirklich können. Im Gegenteil, sie legen ihnen unnötige Fesseln an, stellen überflüssige Barrieren auf und behindern dadurch Kreativität, Leistung und Motivation. Da diese Hindernisse in vielen Unternehmen dominieren, sollte das Hauptaugenmerk in der Alltagspraxis zunächst ihrer Beseitigung gelten. Erst dann stellt sich das Problem der Zielgerichtetheit von Kreativität. Erst dann stellt sich die Frage, wie viel Kreativität überhaupt sinnvoll ist oder sinnvoll in Ergebnisse umgesetzt werden kann. Heute konstatieren wir immer noch einen enormen Mangel an kreativer Energie, der aber oft genug durch die herrschenden Strukturen bedingt ist.

Die bislang herrschenden Wertordnungen wie Anpassung, Pflichterfüllung, Disziplin und Gehorsam sind dem Drang nach Freiheit, Individualität, Eigeninitiative, Eigenverantwortung, Selbstentfaltung und Mitwirkung gewichen. Der Taylorismus und das autoritäre Befehlsmodell funktionieren nicht mehr, in keinem Bereich. An die Stelle des für den autoritären Führungsstil kennzeichnenden Misstrauensgrundsatzes muss ein auf Vertrauen basierendes Miteinander treten. Mitbeteiligung an Entscheidungsprozessen und kooperatives Führungsverhalten müssen die heute immer weniger akzeptierten Befehls- und Anordnungsstrukturen ersetzen.

Denn mit überzogenen technokratischen Mitteln, mit perfekten Richtlinien, Handbüchern, mit bis zum letzten Detail vorgeschriebenen Abläufen haben wir keinerlei Garantie mehr für Erfolg in der Hand. Vielmehr ist es das personale Moment, die Zusammenarbeit, das Miteinanderreden, der konstruktive Dialog und der kommunikative Austausch – kurz das Miteinander, welche Erfolg letztlich ausmachen. Aus Befehlsempfängern von einst werden zunehmend qualifizierte, gut ausgebildete und kritische Mitarbeiter, die in ihrer Arbeit Sinn, Erfüllung und Mitgestaltung suchen. Den Wertewandel, der dahinter steht, hat aber ein Großteil der Führungskräfte nicht wirklich wahrgenommen, geschweige denn verinnerlicht. Die Mehrzahl ist immer noch der Meinung, die Leute wollten, dass man ihnen sagt, was sie zu tun haben. Diese frönen also immer noch einem alten, autoritären Führungsverständnis. Diejenigen aber, die ein Aufeinanderzugehen, eine Vertrauensorganisation und weniger Kontrolle auf ihre Fahnen geschrieben haben, erreichen mittlerweile bei weitem bessere wirtschaftliche Ergebnisse.

Wenn Mitarbeiter rechtzeitig mitgestalten können, dann vermindert sich auch das Risiko, am eigentlichen Ziel vorbeizuschießen. Es vermindert sich auch das Risiko, dass eine neue Zielsetzung nicht angenommen, abgelehnt oder gar blockiert wird. Welche überraschenden Ergebnisse zum Beispiel erzielt werden können, wenn – wie schon erwähnt – Entscheidungskompetenz mit Sachkompetenz zusammengeführt wird, lässt viele ins Staunen geraten, weil es zu oft nicht für möglich gehalten wurde, dass dies funktioniert und dass dadurch eine viel bessere Arbeitssituation für alle entsteht. Führungs- und Personalkompetenz werden kurz gesagt auch auf den Märkten entscheidend das Spiel bestimmen.

Wohlbefinden als Herausforderung
Stärker in den Fokus rückt dabei auch die persönliche Situation des jeweiligen Mitarbeiters, sprich: auch der Gesundheitsaspekt. Denn bei der Mitarbeiterzufriedenheit spielt zweifellos die Gesundheit der Beschäftigten eine zunehmend wichtigere Rolle. Gesundheitsorientierung sei die neue »Zukunftsreligion«, so Zukunftsforscher Prof. Dr. Horst W. Opaschowski auf der Zukunft Personal 2012 in Köln. Wie bedeutsam das physische und psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter für den Unternehmenserfolg ist, entdecken die Verantwortlichen in den Unternehmen nach Meinung von Experten allmählich immer stärker. Allerdings besteht häufig noch Nachholbedarf in der praktischen Umsetzung – vor allem in Bezug auf neue Krankmacher wie die ständige Erreichbarkeit über mobile Endgeräte.

Es wird nicht reichen, wenn der Einzelne sich persönlich um seine Gesundheit sorgt und dazu zum Beispiel regelmäßig Sport treibt, um Stress zu reduzieren. Gerade die leistungsbereiten Mitarbeiter sind vielfach gefährdet, in Burnout abzurutschen, da sie sehr lange versuchen, die Fassade aufrechtzuerhalten. Unternehmen müssen deshalb Regularien schaffen und lenkend eingreifen. Den Umgang mit E-Mail & Co. zu reglementieren, scheint jedoch kaum praktikabel, denn der Regelungscharakter ist sehr allgemein und schwer umzusetzen.

»Unternehmen brauchen einen dynamischen Herzschlag – ›one size fits all‹ aus der Konzernzentrale funktioniert heute nicht mehr«, meint Dr. Natalie Lotzmann, Leiterin Globales Gesundheitsmanagement der SAP AG auf der Zukunft Personal. Standardlösungen führten nicht zum Ziel. »Klare Regeln sind wichtig für die Mitarbeiter, aber ohne Offenheit und die Bereitschaft für Abweichungen ist eine Organisation nicht überlebensfähig.«

Weg von der Standardisierung hin zu einer agilen Organisation. »Unsere Kunden stellen heute sehr komplexe Anfragen«, schildert Dr. Nicola Millard, Zukunftsforscherin bei der British Telecom. »Wir brauchen eine ganze Toolbox, die uns hilft, Probleme und Experten in einer Art Speed-Dating zusammenzubringen.« Das könne zum Beispiel gelingen, indem Unternehmen verstärkt interne soziale Netzwerke, Blogs oder intelligente Ratingsysteme nutzten, um die Personen ausfindig zu machen, die über das passende Anwenderwissen verfügten.

Derart agile Organisationsformen brächten jedoch auch viele neue Schwierigkeiten mit sich. »Wenn die Menschen nicht mehr langfristig, sondern nur gezielt für einzelne Projekte zusammenarbeiten, müssen wir neue Wege finden, um Vertrauen herzustellen«, so Millard. Außerdem stünden dabei viele Organisationen vor einem Dilemma: »Unternehmen neigen dazu, Teams, die gut funktionieren zu stabilisieren und zu etablieren.« Somit versuchten sie Kreise zu Quadraten zu machen – mit dem Nachteil, dass Quadrate nicht so agil und schnell liefen. »Wir sollten agile Projekte vielmehr auf einen festen Sockel stellen. Wir brauchen beides – Stabilität und darüber hinaus Agilität.«

Für das Zeitalter der Kommunikation gelten neue Spielregeln
Wir befinden uns nun schon seit einigen Jahren im Zeitalter der Kommunikation, Innovation und Kreativität. Aber wir wissen noch nicht exakt, wie es wirklich funktioniert. Die Spielregeln haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch geändert. Märkte sind heute vielfach reine Konversation. Dies bedeutet konkret, dass ohne richtige und wirksame Kommunikation nichts mehr geht. »Dafür sind neue Kompetenzen der Mitarbeiter nötig – etwa die Fähigkeit, die Synapsen im eigenen Gehirn zu erhöhen und sich gedanklich mit möglichst vielen anderen Menschen zu verbinden«, forderte die Entrepreneurin Geneviève Morand, Gründerin des Netzwerks Rezonance, auf der Zukunft Personal 2012.

Für diese neue Form der Kommunikation müssen Menschen lernen, ihre Bedürfnisse auszudrücken, nach Hilfe zu fragen, Emotionen zu zeigen, an ihren Stärken statt Schwächen zu arbeiten, Unwissenheit zuzugeben und Konflikte als Lerngelegenheiten zu akzeptieren. Ziel ist es, dass sich jeder seiner Talente bewusst wird und diese täglich einsetzen kann. Auf dem Weg dorthin sind allerdings viele Barrieren und Ängste zu überwinden – auch vor der Ungewissheit der Zukunft. Alles in allem brauchen wir also nicht weniger, sondern mehr Personalmanagement und mehr Einfluss des Personalmanagements auf die Entscheidungen in der jeweiligen Geschäftsleitung.