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Simplify your office
Aus dem perfekten Zusammenspiel von Menschen, Prozessen und Mitteln entstehen Effizienz und Exzellenz. Das ist auch in Büros so. Jedoch zeigt die Praxis, dass in deutschen Büros erhebliche Effizienzreserven schlummern. Nicht die volle Leistung zu entfalten, die prinzipiell in den Büros steckt, heißt Chancen im Wettbewerb zu verschenken.

        


 
rei Viertel der Wertschöpfung in Deutschland finden – mit einer erschreckend niedrigen Produktivitätsrate – in Büros statt. Nach Studien der Fraunhofer Gesellschaft liegt diese trotz aller Digitalisierung nur bei 60 Prozent. Im Bereich der Industrie würde das niemand akzeptieren. Was behindert die anderen 40 Prozent? Wo liegen diese bedeutenden Optimierungspotenziale und wie können wir sie erschließen?
Das Komplexitätsproblem
Ein Teil der Antwort findet sich bereits in der weltweiten IBM-Studie1 von 2011. Die Bewältigung von Komplexität bezeichnen 1500 CEOs als ihre größte Herausforderung und sehen ihre Unternehmen dafür schlecht gerüstet.

Im Büro entsteht Komplexität aus dem Zusammenwirken von Menschen, Prozessen und Arbeitsmitteln zu einem vielfältig vernetzten System. Die Arbeitsmittel werden zwar technisch immer komplizierter, aber auch benutzerfreundlicher. Weil sie vorhersagbar funktionieren und steuerbar sind, sind sie auch gut zu bewältigen. Ähnliches gilt für die Arbeitsprozesse. Auch wenn diesen in der Praxis oft nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird, lassen sie sich doch grundsätzlich mit überschaubarem Aufwand optimieren.

Für die Ressource Mensch sieht das grundsätzlich anders aus. Sie verfügt über ein begrenztes, nicht aufrüstbares Reservoir an Aufmerksamkeit, welches durch jede Art geistiger Aktivität verbraucht wird – also durch Routinearbeiten, Entscheidungen, Kommunikation, Orientierung, Koordination, Synchronisation, aber vor allem auch durch die Bewältigung von Stress, Konflikten oder Ängsten. Eine dauerhafte Überforderung dieser humanen Ressource schwächt die Arbeitsleistung in allen Bereichen. Die Folge ist sinkende Produktivität im Büro.

Im Büro entsteht subjektive Komplexität zum Beispiel durch nicht gemanagte Fluten von Dokumenten, Massen von zum Teil überflüssigen E-Mails oder unübersichtliche Datenfriedhöfe. Geschäftsprozesse sind oft unnötig kompliziert und dadurch für die Beteiligten insgesamt intransparent. So verursachen sie Missverständnisse und Mehrarbeit. Die häufig fehlende Kompatibilität unterschiedlicher technischer Systeme führt zu Schnittstellenproblemen mit hohen Fehlerraten. Noch weniger beachtet wird die soziale Komplexität, die durch eine fehlende Vertrauenskultur und mangelnde Mitarbeiterführung entsteht. Immer höhere Leistungsanforderungen müssen in immer kürzerer Zeit von immer weniger Personen erbracht werden. In dieser sich potenzierenden Hyperkomplexität kommt der Mensch an seine Grenzen und steigt aus: 20 Prozent aller Mitarbeiter haben innerlich schon gekündigt; 66 Prozent sind zwar »noch da«, aber emotional »nicht mehr dabei«. Führungskräfte fühlen sich zu 84 Prozent ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen. Die Burnoutrate hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

Ressource Mensch
Der Mensch ist nach Ende des Maschinenzeitalters nicht nur wieder zur wichtigsten, sondern wegen der demographischen Entwicklung auch zur knappsten Ressource geworden. Nur Menschen können sich aktiv vernetzen und so aus Daten und Informationen Wissen generieren – den Mehr-Wert der Wissensgesellschaft. Es erscheint daher paradox, dass die Wirtschaft ihre wertvollste Ressource verbrennt. Dabei liegt es auf der Hand, dass in Zukunft nachhaltig gesunde Bilanzen nur mit nachhaltig gesunden Menschen möglich sind.

Unsere überkomplex wuchernde Arbeitswelt ist nur Ausdruck unseres gegenwärtigen kulturellen Unvermögens, die Zusammenhänge zu verstehen und das System konstruktiv zu gestalten. Die Rede vom heute notwendigen Multi-Tasking entlarvt sich als eine Ideologie, um unbewältigte Probleme der Arbeitswelt auf die Beschäftigten abzuwälzen.

Mit dem technischen Fließband hatte Henry Ford erfolgreich verbindliche Standards und eindeutige Prozesse in der industriellen Produktion geschaffen. Die Produktivität stieg dadurch sprunghaft, weil jeder wusste, was zu tun ist und die Tätigkeiten aller Arbeiter in einem System synchronisiert wurden. Die moderne Wissensgesellschaft braucht in der Büroarbeit einen diesem Prinzip entsprechenden humanen Workflow, der die Ressourcen der Menschen berücksichtigt, um die Produktivität, die im System steckt, zu entfalten.

Uns wird daher in Zukunft die zentrale Frage bewegen: Was braucht der Mensch, um ein zufriedener Mensch und damit auch ein leistungsfähiger Mensch zu sein? Anders als die Maschine braucht er dazu auch Nahrung für die Sinne: Farbe, Licht, Akkustik, Haptik. Und er braucht einen geistigen Treibstoff: Dazu muss die Arbeit für ihn Sinn machen! Nur mit einem persönlichen Motiv entsteht das nachhaltige persönliche Engagement, das sich so viele Chefs wünschen. Mitarbeiter werden aber oft gar nicht mehr als Menschen, sondern nur noch als Humankapital (ein verräterisches Wort) in ihren Funktionen gesehen. Folgerichtig funktionieren sie – mehr aber auch nicht. Ein Mensch will sich als selbstwirksamer Gestalter erleben. Überkomplexität, Undurchschaubarkeit, Abhängigkeit verhindern das, machen hilflos; und in einer Abwärtsspirale gehen Kompetenzen verloren. Schließlich droht der Infarkt von Körper und Geist.

Vorwärts zur neuen Einfachheit
Die Natur reproduziert sich aus sich selbst (Autopoiesis), und die Evolution begünstigt Entwicklungen, die vorhandene Ressourcen effizient nutzen. Die Prinzipien unserer Arbeitswelt haben uns von dieser Logik abgeschnitten, deshalb leidet das System. Die frohe Botschaft für alle Manager im Hamsterrad: Sie können das ändern! Dazu muss nichts hinzugefügt, sondern es kann im Gegenteil etwas weggelassen werden. Der trotzdem höhere Wirkungsgrad entsteht durch die Konzentration auf das Wesentliche: die Aktivierung der Systemenergien. Mit den richtigen Rahmenbedingungen erfüllen sich in einer solchen Win-win-Situation gleichzeitig die Bedürfnisse der Büro-Arbeiter als auch die Bedarfe der Unternehmen.

Apple macht bei der Technik vor, wie faktische technische Komplexität für den Nutzer einfach zu managen ist. Im Büro gibt es viel Hard- und Software, die darauf noch wartet. Das Potenzial für das Weglassen unnötiger Kompliziertheit und das Einführen von Vereinfachungen ist weitgehend ungenutzt – etwa bei Geschäftsprozessen, bei E-Mail-Konventionen, am jeweiligen Arbeitsplatz, in und zwischen Abteilungen sowie bei Abläufen in der gesamten Organisation. Verbindliche Standards machen es allen leichter: zum Beispiel Regeln für die Ablage, für digitale Ordnerstrukturen oder definierte Plätze für gemeinsam genutzte Arbeitsmittel. Standards guter Führung vermeiden soziale Krisen und erhalten die Loyalität der Beschäftigten. Effektive digitale Werkzeuge sind die unverzichtbaren Dompteure für digitale Daten- und Dokumentenfluten: Kein digitales Dokumentenmanagement (DMS) einzusetzen mutet heute antiquiert an.

Die Methoden und Werkzeuge sind allgemein bekannt, werden aber im Mittelstand kaum genutzt – vielleicht, weil bei Investitionsentscheidungen nur die rechenbare Einsparung (Quantität) bei isoliert betrachteten Sekundärprozessen beachtet wird. Das Wichtigste – und doch investiv nicht Rechenbare – ist aber die Entlastung der Leistungsträger der Primärprozesse (Qualität). Den Einkäufer interessieren Kosteneinsparungen, den IT-Manager die Sicherheit, jeder denkt nur in seinem »Kästchen« – die Geschäftsführungen aber tragen die Verantwortung für das Ganze. Die systematische und kontinuierliche Reduktion unnötiger Komplexität ist Chefsache. Welcher mittelständische Chef hat das bisher auf seiner Agenda?

Auf die richtige Steuerung kommt es an
Die Führung von Menschen und Organisationen ist selbst eine komplexe Herausforderung geworden. Gestern war die Welt noch linear und überschaubar, heute ist sie global vernetzt und immer weniger vorhersagbar. Für die Unternehmen wird es riskanter. Die Macht auf den Märkten wechselt zum Kunden. Was dieser morgen noch als Mehrwert erwartet, ist heute noch nicht abzusehen. Nur die Zusammenarbeit mit den Kunden übermittelt den Unternehmen das nötige Wissen, um vorne mitzuspielen und für die Zukunft gerüstet zu sein. Unternehmen bilden auch mit ihren Kunden ein komplexes System. Das ist heute unabänderlich. Diesbezügliche Rückkoppelungseffekte verschärfen die Herausforderungen an eine koordinierte Steuerung zusätzlich.

Unternehmen in ihren sie bedingenden Märkten werden insgesamt schwerer steuerbar und alte betriebswirtschaftliche Lehrsätze haben nicht nur an Wirkung verloren, sondern werden zum Teil sogar kontraproduktiv. Unternehmen können nur noch aus ganzheitlicher Perspektive effektiv gemanagt werden. Effektiv ist aber nur ein Management, das die im System vorhandenen Kräfte und Kompetenzen mobilisiert und sich auf das Wesentliche konzentriert. Es gilt die wenigen, aber zentralen Druckpunkte zur Steuerung des Systems zu finden. Aber wie lassen sich diese erkennen? Das Einfache ist schwer zu machen.

Effizienz im Büro
Im Büro wirken Menschen, Prozesse und Mittel zusammen – produktiv sind sie aber nur im richtigen Fluss. Störungen bei einem Element dieser Vernetzung führen zu Stau und Blockade im Ganzen. Die einzelnen Komponenten und Kompetenzen sind meistens vorhanden, auch wenn man sicher einige optimieren könnte. Sie werden aber erst durch die richtigen Rahmenbedingungen in ihrem Zusammenhang optimal aktiviert.

Zwei Beispiele dazu: In einem Unternehmen sind die Menschen motiviert, aber die IT-Mittel sehr schlecht. In einem anderen Unternehmen werden die Menschen demotiviert, aber die IT-Mittel sind optimal. Die Produktivität beider scheinbar so unterschiedlicher Situationen wird vergleichbar leiden. Störungen im Gesamtsystem Büro müssen daher präzise und ganzheitlich analysiert und durch gezielte Interventionen unter Nutzung der richtigen Druckpunkte des Unternehmens abgestellt werden. Zur Messung und Beurteilung der Effizienz des Büros bedarf es neuen Wissens und neuer Werkzeuge. Nur so findet man die Ansatzpunkte zur Optimierung der Büroarbeit bzw. zur Erschließung der vorhanden 40 Prozent Effizienzreserven.

Die Diagnose hat sich auf viele einzelne Elemente zu richten. Bei den Menschen dominieren vor allem Führung, Mitarbeitermotivation, Kooperation und Kompetenz. Im Bereich Prozesse stehen Work Flow, Kundenorientierung und Sicherheit im Vordergrund. Und in Bezug auf die Mittel sind unter anderem Informations- und Kommunikationstechnologie, Datenmanagement sowie Bürogestaltung entscheidend.