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Verkaufen ist Emotionsmanagement
Emotionen beeinflussen wesentlich unsere Entscheidungen. Diese Erkenntnis aus der Hirnforschung sollten sich Verkäufer zu Herzen nehmen und die Strategie der Natur imitieren: Da die Evolution den Menschen ständig auf die Suche nach guten Gefühlen schickt, wird beim Verkaufen am erfolgreichsten sein, wer seinen Kunden eine positive Stimmung verschafft. Die Vertriebsfunktion muss für das Happy End sorgen.

        


 
rodukte oder Dienstleistungen, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn wertlos«, sagt der Psychologe Hans-Georg Häusel in seinem Buch Brain Script. Und was für unser Gehirn wertlos ist, wird auch nicht gekauft! Verhandeln und verkaufen muss daher weit mehr auf unsere Emotionen zielen. Verkäufer müssen Menschenversteher werden.

Menschenversteher sein
Nur leider: Im Menschenverstehen sind wir alle mehr oder weniger Laien, das haben wir nicht auf der Schule und nicht an der Uni gelernt. Das stand auf keinem Lehrplan. Da konnten wir bisher nur unseren gesunden Menschenverstand konsultieren. Oder nach Erklärungen aus unseren Tagen als Steinzeit-Mensch suchen. Doch neuerdings kommt uns die Hirnforschung zu Hilfe.

Gehirn-Tomographen liefern uns in bunten Bildern immer mehr Erkenntnisse darüber, was im Hirn des Verbrauchers vorgeht, wenn er Kaufentscheidungen vorbereitet. Zumindest erkennen wir, durch Kontrastmittel gefahrlos sichtbar gemacht, in welch unterschiedlichen Hirn-Arealen gedacht, verarbeitet und schließlich entschieden wird, und wie sich das alles verknüpft. Dabei wird eines klar: Emotionen sind die Treiber unserer Entscheidungen. Und wir sehen auch bereits, bei welchen Marken sich im Gehirn am meisten tut. Was allerdings genau gedacht wird, das sieht man leider nicht.

Den Beweis dafür, dass, wer die Menschen stärker positiv emotionalisiert, auch erfolgreicher ist, trat kürzlich ein Experiment texanischer Wissenschaftler am Baylor-College in Houston an. Coca Cola-Trinker zeigten deutlich höhere Reaktionen in emotionalen Bereichen des Gehirns als Pepsi Cola-Trinker, wenn man ihnen sagte, welches Getränk sie gerade zu sich nahmen. Im Blindtest fanden übrigens beide Versuchsgruppen, dass Pepsi besser schmeckt.

Wer sich unter verkaufsrelevanten Gesichtspunkten mit unseren Hirnfunktionen näher auseinander setzt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bildgebende Verfahren dechiffrieren detailliert, was intuitiv talentierte Verkäufer schon seit ewigen Zeiten Bauchgefühl nennen: Denken, fühlen, entscheiden und handeln sind untrennbar miteinander verbunden und verlaufen im Wesentlichen unterbewusst. Ohne Emotionen ist kein vernünftiges Handeln möglich. Selbst wenn wir noch so stolz auf unser Denkhirn sind: Eine rein sachliche Entscheidung gibt es nicht. Wir entscheiden uns erst wirklich für oder gegen etwas, wenn wir ein gutes Gefühl dabei haben.

Der Blick ins Gehirn
Der umgangssprachlich gerne Reptilienhirn genannte evolutionär ältere Teil unseres Gehirns, unser limbisches System, trifft in Abstimmung mit unserem Großhirn völlig unbewusst und ohne dass wir dies stark beeinflussen können, ständig überlebenswichtige Schiedssprüche: Gut für uns oder schlecht für uns. Gut für uns wird mit einem angenehmen, schlecht für uns mit einem unangenehmen Gefühl belohnt. Dies wird unter anderem verursacht durch Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin und Adrenalin. Deren Ausschüttung erfolgt zwar im Gehirn, wir nehmen sie jedoch als körperliche Reaktionen wahr, beispielsweise im Bereich der inneren Organe. Daher Bauchgefühl. Die berühmten »Schmetterlinge im Bauch« sind nur ein Beispiel dafür.

Treffen zwei Menschen aufeinander, entscheidet unser limbisches System ohne unser Zutun und in Bruchteilen von Sekunden: Freund oder Feind. Ohne dass wir recht wissen warum, finden wir jemanden sympathisch oder unsympathisch. In rasender Geschwindigkeit wird unser Vertrautheitsgedächtnis abgegrast, mit gespeicherten emotional konditionierten positiven oder negativen Vor-Erfahrungen abgeglichen und uns als Ergebnis präsentiert. Und das ist auch gut so. Denn in akuten Gefahrenmomenten springt unser Denkhirn viel zu langsam an, um den Körper in Alarmbereitschaft zu versetzen.

Have lunch or be lunch
Mal angenommen, unser limbisches System votiert für Feind, dann kennt unser Körper – wie auch der eines Tieres – nur noch drei mögliche Reaktionen: draufhauen, abhauen, tot stellen. In Situationen, die mit Angst, Wut, Stress und Bedrohung verbunden sind, erfordert es unseren ganzen Willen, sich dem Reflex von Angriff oder Flucht zu entziehen. Denn unser Körper ist voll gepumpt mit Adrenalin und bereit, die Keule zu schwingen. Da wir nun nicht mehr im Urwald leben, packen wir zivilisierten Kopfarbeiter des 21. Jahrhunderts diese gern in verbaler Form aus – je nach Situation und Adrenalin-Dosis auf mehr oder weniger subtile Art und Weise. Die zugefügten Verletzungen sind emotionaler Natur und manchmal tiefer als eine körperliche Wunde. Und sie heilen oft schlechter.

»Das limbische System hat gegenüber dem rationalen corticalen System das erste und das letzte Wort. Das erste beim Entstehen unserer Wünsche und Zielvorstellungen, das letzte bei der Entscheidung darüber, ob das, was sich Vernunft und Verstand ausgedacht haben, jetzt und so und nicht anders getan werden soll«, schreibt der Bremer Gehirnforscher Gerhard Roth in seinem Buch Aus Sicht des Gehirns, und weiter: »Am Ende eines noch so langen Prozesses des Abwägens steht immer ein emotionales Für und Wider. Die Chance der Vernunft ist es, mögliche Konsequenzen unserer Handlungen so aufzuzeigen, dass damit starke Gefühle verbunden sind, denn nur durch sie kann Verhalten verändert werden.«

Unser Hirn will ein Happy End
»Zu dem, der lächelt, kommt das Glück«, sagt ein japanisches Sprichwort. All denen, die unerschütterlich an das Positive glauben, gibt die Gehirnforschung Recht. Immer dann, wenn wir etwas gedacht oder getan haben, das aus Sicht des Gehirns eine Belohnung verdient, werden Glückshormone ausgeschüttet. Diese körpereigenen Opiate, den Drogen chemisch sehr ähnlich, geben uns ein wohliges Gefühl, sie machen uns je nach Art und Dosierung glücklich, euphorisch, ekstatisch. Und sie machen uns süchtig. Davon wollen wir mehr! Ausdauernde Läufer kennen dieses Phänomen als »Runners-High«: Der Körper belohnt uns für eine gelungene Flucht.

Positive Gefühle sagen uns, was wir tun, und negative, was wir besser lassen sollten. Diese Strategie der Natur hilft uns nicht nur, zu überleben, sondern kann auch die Lebensqualität bemerkenswert verbessern. So hat die Evolution es eingerichtet, dass der Mensch ständig auf der Suche nach guten Gefühlen ist. Zuhause genauso wie in der Arbeit. Für den Verkauf bedeutet dies: Wem es gelingt, eine Wohlfühl-Atmosphäre zu gestalten, eine positive Stimmung zu erzeugen, dem Kunden Momente des Glücks zu verschaffen, der wird dauerhaft erfolgreich sein. Denn wer sich wohl fühlt, wer ein gutes Gefühl hat, wer sich bestätigt fühlt, kauft eher - und mehr. Und der Preis als alleiniges Entscheidungskriterium tritt dann in den Hintergrund.

In einem positiven Zustand zu sein, hat weitere Vorteile. Wir werden offener und damit kreativer. Wir werden agiler und schreiten zur Tat. Und wir sehen die Welt ein wenig durch die rosarote Brille; so wie ein Verliebter, der nur die guten Seiten sieht und über kleine Schwächen milde hinwegschaut.

Negatives dagegen lähmt. Angst paralysiert und macht dumm. Die Erklärung dafür ist einfach: Bei Angst, Bedrohung und Stress sind die Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Hirnzellen, die so genannten synaptischen Spalten, blockiert. Dort können die Hirnströme nicht mehr ungehindert fließen, und wir können nicht mehr klar denken. Die Folge: ein Blackout. Über Angst und Unbehagen zu verkaufen ist demnach genauso falsch wie über Angst und Schrecken zu führen. Beides mag zwar zu kurzfristigen Erfolgen führen, auf Dauer ist es aber zerstörerisch. Denn Angst ist Gift für die Seele.

Gespür für die Kundenwünsche
Die meisten Entscheidungen, auch das sagen uns die Hirnforscher, hat unser Gehirn schon getroffen, bevor wir uns dessen bewusst sind (was den Wert einer guten Entscheidung nicht mindert). Kein Wunder, dass wir manchmal Dinge tun und gar nicht wissen, warum. Oder uns entschuldigen müssen für ein Wort, das uns so rausgerutscht ist, weil sich unser Unterbewusstsein an der Schranke des angepassten sozialen Verhaltens vorbeigemogelt hat. Oft sind wir nur noch der rationalisierende Ausführer, der sich selbst und Anderen erklärt, warum eine Entscheidung genau so und nicht anders ausgefallen ist.

Wenn nun aber unserer Entscheidungen größtenteils von unserem Unterbewusstsein gesteuert werden und in Wahrheit emotionale Entscheidungen sind, dann ist es höchste Zeit, dass die nach wie vor meist fachlich-sachliche Ausrichtung vieler Verkaufsgespräche verknüpft wird mit einer richtig austarierten, emotional berührenden Argumentation. Drei Punkte sind dabei zu beachten:

1. Die Menschen suchen aktiv nach guten (weil von Glückshormonen belohnten) Gefühlen.
2. Die Menschen meiden negative (weil von Angst- und Stresshormonen begleitete) Gefühle.
3. Emotionales wird besser gespeichert und damit nachhaltiger verankert als Rationales.

Verkaufen ist heute in erster Linie Emotionsmanagement: Gespür für die Wünsche, die oft unausgesprochenen Bedürfnisse, Gefühle, Sorgen, Ängste, Sehnsüchte, Hoffnungen und Träume der Kunden. Nur: Überall dort, wo der Verstand regiert, ist der Zugang zu den Emotionen recht beschwerlich. Jede Menge Feingefühl und Empathie sind gefragt, denn wer möchte in seinen wahren Gefühlen schon gerne entlarvt werden?

Menschen kaufen keine Produkte, sondern Problemlösungen und die Erfüllung ihrer Wünsche und Träume. Und das betrifft nicht nur das Consumer-Geschäft. Auch die scheinbar rein sachlichen, in den männer-dominierten Führungsetagen getroffenen strategischen Entscheidungen haben meist mit Emotionen zu tun: mit Prestige, mit Macht, mit Reviergehabe, Positionskämpfen - und mit dem beruflichen Überleben. Oder ganz einfach mit Lebensqualität.

Ein Beraterkollege mit Firmensitz in Paris erzählte mir einmal von einer deutsch-französischen Fusion, bei der der französische F&E-Leiter, nachdem er zum Chef der zusammengelegten Forschungsabteilungen ernannt wurde, nach Wiesbaden ziehen sollte. Im Rahmen einer 500.000 Euro teuren Studie ließ er beweisen, dass es sinnvoller sei, alles beim Alten zu lassen. Erst am Ende eines dreitägigen Workshops zu diesem Thema gab er den wahren Grund seiner Ablehnung preis: Seine Frau wollte unter keinen Umständen in Deutschland leben.

Nähe schafft Vertrauen
Vertrauen entsteht durch kleine Schritte der Annäherung und durch ausbleibende Enttäuschungen. So, wie ein Hund sich auf dem gefrorenen See vortastet, um zu sehen, ob das Eis trägt, so tasten wir Menschen uns vor, um zu sehen, wer unser Vertrauen verdient. Jeder Kaufakt ist ein Akt des Vertrauens. Man kauft viel eher bei Menschen, die man mag. Erst, wenn die Beziehungsebene stimmt, kann auf der Sachebene Großes bewirkt werden. Und eine Beziehungsebene wird am besten persönlich, also im zwischenmenschlichen Gespräch aufgebaut.

Das ist an sich keine neue Erkenntnis. Doch wenn man sich heute umschaut, findet Nähe zum Kunden – unter dem Mäntelchen der Kosteneinsparungen gut verpackt – immer seltener statt. Der Kunde verschwindet in der Anonymität! Nur: Dort, wo Verkäufer zu einer aussterbenden Rasse gehören, wo Menschen und damit persönliche Kontakte fehlen, sinkt automatisch die Kunden-Loyalität. Automaten und Sprachcomputer können zwar Menschen ersetzen, diese aber nicht loyalisieren. Zur Illustration ein paar Beispiele:

Die teuerste Musik kommt aus der Warteschleife. Investigative Sprachautomaten (»Wenn Sie ... sprechen wollen, drücken Sie die 1 ...«) ersparen den Unternehmen zwar Zeit und Geld, aber sie kosten Kunden. Denn wer durch sprachgesteuerte Computer-Ansagen irren muss, verwendet dafür seine Zeit und sein Geld, vor allem aber Geduld und Nerven. Und das lässt sich schon lange nicht mehr jeder bieten!

Kundenkontakte werden an Call-Center wegdelegiert (damit man endlich seine Ruhe vor Kunden hat?). Der Kunde wird quasi ghettoisiert und systematisch daran gehindert, mit den gewünschten Mitarbeitern des Unternehmens direkt zu sprechen. Stattdessen wird er mit Sprüchen zugetextet, die vom Bildschirm abgelesen sind und so gar nicht zu seinem Anliegen passen wollen.

Im Handel gehen Kunden heutzutage nicht nur auf Schnäppchen-Jagd, sondern vor allem auf Verkäufer-Jagd. Und wer endlich einen ergattert hat, wird diesen gegen eine Horde lauernder Kunden verteidigen müssen (»Der gehört mir, den brauch ich jetzt ’ne Weile, nein, Sie können auch nicht mal nur ’ne kleine Frage stellen!«). Einkaufen als verbale Kampfsportart – und das soll Kauflust wecken?

Bei vielen Banken wird der Aufbau einer persönlichen Geschäftsbeziehung systematisch unterbunden. Kunden sollen im Rhythmus der Technologie funktionieren, oft wird man vom Schalter weg zu den Automaten gejagt. Oder man wird herumgeschubst und von Ansprechpartner zu Ansprechpartner weitergereicht. Und bei jedem Wechsel geht Wissen verloren.

Geldscheine sind Stimmzettel! Und täglich wird neu abgestimmt! Wer verstanden hat, wie ich als Kunde ticke, was ich brauche und wie man mich glücklich machen kann, der hat meine Stimmzettel verdient. Und wenn uns Kunden was nicht passt, bleibt unser Portemonnaie eben zu!

Loyale Kunden – und die Zukunft kann kommen!
Loyalität entsteht viel leichter zwischen zwei Menschen als zwischen Menschen und mehr oder weniger automatisierten, anonymen Unternehmen. Gerade bei Dienstleistern spielt die Interaktion zwischen Mitarbeiter und Kunde eine entscheidende Rolle. Je individueller die Leistung für den einzelnen Kunden erbracht wird und je unmittelbarer der Kunde-Mitarbeiter-Kontakt ausfällt, desto stärker ist das Gefühl emotionaler Verbundenheit. Und gerade dort, wo Produkte nicht mehr faszinieren können, da müssen es die Menschen tun. Ein Kunde, der »seinem« Verkäufer emotional und dauerhaft verbunden ist, wird diese Loyalität auch auf das Produkt übertragen.

Wer in Zukunft erfolgreich sein will, der muss nicht nur anders, besser und schneller sein. Er muss vor allem Loyalität erzeugen. Denn Loyalität – und nicht Konsumverzicht – ist die schärfste Waffe des Verbrauchers. Und: Loyalität ist ein knappes Gut und damit äußerst begehrenswert. Wer es im Ringen um Loyalität zu wahrer Meisterschaft bringt, dem ist die Zukunft sicher. Denn Loyalität steigert die Wertschöpfung: loyale Kunden kaufen öfter, sie kaufen mehr, sie sind (meist) weniger preissensibel. Wer die Loyalität seiner Käufer gewinnt und dauerhaft bewahren kann, generiert kontinuierlich steigende Umsätze und reduziert gleichzeitig seine Kosten.

Und: Neu-Kunden werden auf diesem Weg gleich mit geliefert. Denn ein durch und durch loyaler Kunde kommt ja nicht nur immer wieder, er generiert auch Mund-zu-Mund-Geschäft. Nicht als Immer-wieder-Kunde, sondern als aktiver positiver Empfehler ist unser Kunde am profitabelsten, so wird das meiste Geld verdient. Wer sein Empfehlungsgeschäft wirklich im Griff hat, hat nicht nur eine Vielzahl begeisterter Empfehler, sondern macht auch die Empfohlenen zu neuen Empfehlern. So setzt sich eine Loyalitätsspirale in Gang, die sich immer weiter nach oben dreht.  

 

Wollen Sie mehr über emotionales Verkaufen wissen? Dann interessiert Sie vielleicht der von Anne M. Schüller verfasste Leitfaden Erfolgreich verhandeln – erfolgreich verkaufen. mehr Infos