Wissen nimmt zu, während seine Halbwertzeit sinkt. Dies ist das paradoxe Grundgesetz des Informationszeitalters. Wissen wird zum kurzlebigen Potential, das es regelmäßig aufzufrischen gilt. Qualifikation und Weiterbildung gelten als Schlüsselfaktoren im Wettbewerb, dem sich weder Großunternehmen noch klein- und mittelständische Betriebe entziehen können. Und für den Einzelnen gilt die Formel des »lebenslangen Lernens«, will er dauerhaft Chancen auf dem Arbeitsmarkt behalten oder gar Karriere machen.
ie in vielen anderen Lebensbereichen, so erobert sich der Computer auch auf dem Feld des Lernens ein immer größeres Terrain. Was mit dem Computer-Based-Training (CBT) via CD-ROM begann, wird längst durch das Web-Based-Training (WBT) über Internet und firmeninterne Intranets ergänzt - mit der erklärten Absicht, die knappen Ressourcen »Geld« und »Zeit« effektiver einzusetzen.
So geben deutsche Unternehmen jährlich 25 Mrd. Euro für die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter aus. Allerdings: Nur etwa ein Drittel davon sind unmittelbare Aufwendungen in Aus- und Weiterbildung. Der Rest, immerhin rund zwei Drittel, ergibt sich aus Reisekosten und Arbeitsausfallszeiten. Unproduktive Aufwendungen, die sich durch E-Learning verringern lassen?
Online-Learning als preiswerte Alternative?
E-Learning hat seine Kindertage als CBT längst hinter sich gelassen. Elektronisches Lernen mit einer CD-ROM ist inzwischen den meisten als Form des Lernens bekannt (Computerschulungen, Sprachkurse, Bürosoftware) und hat sich einen festen Stellenwert in der Weiterbildungslandschaft erarbeitet.
Doch hat es kaum noch Ähnlichkeit mit dem heutigen WBT via Internet oder Intranet. Der entscheidende Unterschied liegt in den interaktiven Möglichkeiten des WBT durch Chat, Videokonferenzen und Diskussionsforen. Jeder Teilnehmer kann online vom Webtutor individuell betreut werden, und die Teilnehmer einer Lerngruppe verfügen über die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen oder gar gemeinsam an einem virtuellen Lernprojekt zu arbeiten.
Damit gewinnt das E-Learning einen Teil des gruppendynamischen Geschehens von Präsenzveranstaltungen zurück. Ganz verzichten auf Präsenzphasen kann jedoch auch das E-Learning nicht. In welcher Form eine Kombination von Präsenzveranstaltungen und E-Learning optimale Effekte erzielt, ist eine bislang offene Frage. Betriebliche Lösungsmodelle und wissenschaftliche Studien untersuchen derzeit auf unterschiedlichen Wegen, eine Antwort zu finden. Bis diese vorliegt, wird wohl noch eine gewisse Zeit ins Land gehen, um zu entwickeln, experimentieren, reflektieren und auszuwerten.
Ebenso offen ist die Frage, ob E-Learning tatsächlich auf Dauer die finanziell günstigere Lernform ist. Problematisch sind die zuweilen enormen Entwicklungskosten für E-Learning, die um ein Vielfaches höher liegen als beim klassischen Präsenztraining. Sie amortisieren sich erst nach entsprechend häufiger Nutzung und werden daher auch nur von Großunternehmen (Banken, Automobilindustrie, Versicherungen) akzeptiert.
Doch auch dies dürfte für kreative Köpfe kein Hindernis sein: Entweder müssen alternative Plattform- und Produktionsstrukturen von E-Learning-Content entwickelt werden (z.B. lässt sich der Auf- und Ausbau einer betrieblichen Lernplattform zum festen Aufgabenkreis bestimmter Mitarbeiter und Führungskräfte hinzufügen) oder aber man setzt einfach auf den Faktor Zeit. Der hat im Bereich von Softwarelösungen bereits viele Dinge erschwinglich gemacht, die anfangs kaum finanzierbar schienen. Oder man überlässt das Ganze dem Markt und wartet ab, bis sich ausreichend viele Träger gebildet haben, die E-Learning zu erschwinglichen Preisen als Dienstleistung bereitstellen.
Vor dem Hintergrund erster Erfahrungen zeichnet sich bereits heute ab, dass nicht alle Lernbereiche für WBT-Lösungen geeignet sind. So entziehen sich beispielsweise das Training kommunikativer Fähigkeiten, das Teamtraining oder das Konfliktlösungstraining weitgehend einer Umsetzung über das computergesteuerte Lernen. Was geht?
Wo WBT eine sinnvolle Alternative oder gar die bessere Lösung ist und wo nicht, wird die Zukunft selbst zeigen.
Lebenslanges Lernen via Internet?
Immer auf dem neuesten Stand des Wissens zu sein, einen vollständigen Überblick über die eigenen Produkte und die der Konkurrenz zu haben, perfekt präsentieren und verkaufen, Verkaufstechniken sinnvoll einsetzen, verbunden mit einem intensiven Austausch über Kundenkontakte verschiedener Mitarbeiter. Diese Vision ist durchaus umsetzbar. Gut organisiertes und effizientes Arbeiten wird in Marketing und Vertrieb immer wichtiger und wer in Sachen Selbstvermarktung unterwegs ist und Karriere machen will, muss lernen, lernen, lernen...
Hier können E-Learning und Wissensmanagement wichtige Hilfen geben. Ob zur kontinuierlichen Weiterbildung im Betrieb oder zur stetigen Anpassung und Verbesserung der individuellen Qualifikationen - Experten gehen davon aus, dass dem Online-Lernen in Zukunft eine immer gewichtigere Rolle zukommen wird.
Unklar bleibt vorerst, in welcher Form. Verschiedene Szenarien sind denkbar und können ohne großen Aufwand umgesetzt werden. Online-Lernen heißt, dass die Lerninhalte nicht mehr von einem Trainer oder Dozenten im Seminarraum kommen, sondern der Multi-Media-Welt des Computers entstammen. Beteiligt sind Medien wie Internet, firmeninternes Intranet oder CD-Roms. Ob in Form von didaktisierten Standard-Vorträgen am Bildschirm im Verbund mit gezielten Lernübungen, Lehrvideos oder Multiple-Choice-Prüfungen...
Lernen am Computer unterscheidet sich in wesentlichen Aspekten sowohl inhaltlich als auch didaktisch vom konventionellen Lernen im Seminarraum. Wer meint, Online-Lernen bedeute lediglich, alte Lerninhalte etwa aus Fernlehrgängen über neue Kanäle zu verbreiten, verkennt die Chancen des Ansatzes. Dies beginnt damit, dass die einzelnen Lerneinheiten so konzipiert werden sollten, dass sie in fünf bis sieben Minuten bearbeitet werden können. Dadurch lassen sich einzelne Lernschritte besser in den (Arbeits-) Alltag integrieren und sie können je nach Lerninteresse, verfügbarer Zeit und individuellem Lerntempo zu kleineren oder größeren Lernblöcken zusammengelegt werden. Weiterer Vorteil: Die Lernenden können sich die Bausteine ihres Weiterbildungsprogramms selbst zusammenstellen, entsprechend ihren Interessen oder den tatsächlichen Anforderungen am Arbeitsplatz. Ebenso können sie die einzelnen Sequenzen in beliebiger Reihenfolge durcharbeiten.
In manchen elektronischen Seminarräumen besteht zudem für die Dauer des Online-Lehrgangs die Möglichkeit, sich mit anderen Seminarteilnehmern auszutauschen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Dies geschieht in aller Regel unter Moderation durch einen Tutor, der die Gruppe für die Dauer des Lehrgangs (feste Starttermine, Laufzeit vier bis acht Wochen) betreut. Wo die Lehrmaterialien nicht mehr so recht weiterhelfen, ersetzt dann Kommunikation über Chats, Mailing-Listen oder Newsgroups den Gruppeneffekt von Präsenzveranstaltungen.
E-Learning eröffnet damit neue Lern-Perspektiven für alle Arbeitsplätze, die mit einem Computer ausgestattet sind. Und da mittlerweile auch der Großteil der Privathaushalte über einen PC verfügt, kann auch das Wohnzimmer zum Online-Lernort avancieren.
Ein gezieltes E-Learning und die permanente Auswertung von neuesten Informationen für das eigene Fortkommen oder betriebliche Belange setzt allerdings ein konstruktives Wissensmanagement voraus.
Kein E-Learning ohne Wissensmanagement
Die Angebotspalette für computergestütztes Lernen ist breit gefächert. Gute Programme erlauben es, Lerntempo und Schwierigkeitsgrad selbst zu bestimmen. Interaktive Sequenzen geben ein sofortiges Feedback, ob Fragen richtig beantwortet wurden und zeigen so Lernfortschritt und noch bestehende Wissensdefizite auf.
E-Learning effektiv einsetzen heißt tatsächlich umsetzbares Wissen zu erwerben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das elektronische Lernen in ein individuelles Wissensmanagement zu integrieren. Also ist zunächst einmal zu prüfen, wo Schwächen und Kenntnislücken vorliegen, die sich durch Weiterbildung schließen lassen. Im nächsten Schritt ist die Frage zu klären, inwieweit computergestütze Lernprogramme hier überhaupt weiterhelfen können. Erst dann kann sinnvollerweise die Auswahl eines entsprechenden Kurses erfolgen.
E-Learning-Programme sind in der Regel optisch ansprechend gestaltet und legen Wert auf den Spaß-Faktor. Dies ist an sich nicht schlecht. Lernen am Computer soll schließlich auch unterhalten. Doch Vorsicht, wenn Unterhaltung vor Didaktik geht. Aus diesem Grund ist stets zu prüfen, ob der beabsichtigte Zuwachs an Wissen und Können bei Durcharbeitung des Programms tatsächlich eintritt. Viele Lernplattformen bieten kostenlose Tele-Kurse und Probe-Bausteine an. Hier können Interessenten testen, ob sie mit dem Angebot gut klar kommen und ob die Angebote das halten, was sie versprechen.
Vom Lehrer zum Coach - die neue Rolle des Seminarleiters
Interaktives Lernen per Internet eröffnet zwar ein hohes Maß an räumlicher und zeitlicher Flexibilität. Gleichwohl ist es nicht die Neuerfindung des Nürnberger Trichters. E-Learning erfordert neben Willenskraft ein hohes Maß an Selbstdisziplin, da der Veranstaltungscharakter von Präsenzlernen zugunsten einer in jeder Hinsicht offenen Struktur wegfällt.
Damit ändern sich auch die Aufgaben des Trainers. Er wird in Zukunft immer weniger Informationslieferant und Lehrer sein - diese Funktionen übernimmt der Computer. Seine neue Rolle lässt sich eher als die eines Coaches beschreiben. Er unterstützt die Teilnehmer im praktischen Umgang mit dem E-Learning, er moderiert virtuelle Lerngruppen und betreut die Teilnehmer in ihren Lernbemühungen, regt den Austausch in der Gruppe an.
Neben dem Internet-Coaching entwickelt sich ein weiteres pädagogisches Aktionsfeld. Gute Schulungsprogramme müssen medien- und adressatengerecht gestaltet werden. Beide Seiten sind in einer sinnvollen Weise miteinander zu verknüpfen.
Online-Lernen gestalten
Zunächst die technische Seite: WBT-Projekte nehmen ihren Ausgangspunkt in der Untersuchung der Rahmenbedingungen und Bestimmung der Einsatzszenarien für die zu entwickelnde WBT-Lösung. Ziel dieser Phase ist die Grobplanung des Projektes. Typische Fragen, die eingangs zu stellen sind: An welche Zielgruppe wendet sich das Programm? Welche technischen Gegebenheiten sind zu berücksichtigen? Welche Lernziele werden verfolgt und wie lassen sich die darauf bezogenen Wissensinhalte strukturieren? Auf welche Kommunikationsformen soll zurückgegriffen werden?
Ist die Grobstruktur für das Lernsystem festgelegt, kann die Feinstruktur erarbeitet werden. Dies sind im Wesentlichen die Entwicklung des WBT-Designs (Portal), die sich unmittelbar an die erste Phase anschließt, sowie eines detaillierten Drehbuchs für den inhaltlichen Ablauf (Content). Sind Portal wie Content erarbeitet, kann im dritten Schritt die eigentliche WBT-Produktion erfolgen, die mit einem Systemtest abschließt. Im letzten Schritt erfolgt dann der Auf- oder Einbau des neuen Lernprogramms in die vorgesehene Umgebung.
Ein Tipp für die funktionale Gestaltung des WBT-Designs: Verzichten Sie auf graphischen Schnick-Schnack und Plug-ins. Wie in vielen anderen Lebensbereichen, so gilt auch hier die KISS-Formel: Keep it small and simple. Schlichte Seiten lassen sich schneller laden, Plug-ins müssen nicht extra heruntergeladen werden und das Ganze bleibt für den Nutzer übersichtlicher und besser zu handhaben.
Nun die soziale Seite der WBT-Entwicklung: Selbst das beste technische Konzept für elektronisches Lernen scheitert, wenn die potentiellen Teilnehmer nicht mitziehen können oder wollen. Daher ist grundsätzlich parallel zur technischen Entwicklung und bis zum Zeitpunkt der Implementierung zu klären, ob bei der Zielgruppe des Programms auch die Fähigkeiten zum Online-Lernen vorhanden sind. Wenn nicht, sind zunächst entsprechende Voraussetzungen zu schaffen, etwa durch gezielte Vorbereitungstrainings, in denen zusätzliche Motivation zum selbstgesteuerten Lernen geweckt werden kann.
Darüber hinaus ist die Arbeitsplatzsituation dahingehend zu gestalten, dass sie Lernphasen zulässt. Um das elektronische Lernen im größeren Rahmen zu fördern, ist darüber nachzudenken, spezielle Räumlichkeiten (»Lerninseln«, »Lehrsäle«) einzurichten, in denen auch soziale Kontakte und Kommunikation über den methodischen Umgang mit dem WBT möglich sind (bis hin zur Einrichtung spezieller »Qualitätszirkel E-Learning«).
Ein Tipp für die soziale Gestaltung eines E-Learning-Projektes: Machen Sie sich Gedanken über die Lernkultur Ihres Unternehmens und stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter über die Grundvoraussetzungen verfügen, mit den Anforderungen des E-Learning fertig zu werden. Verändern Sie die Architektur des Lernens insgesamt in Richtung auf mehr Selbstorganisation und Selbstverantwortung. Ansonsten droht Ihr E-Learning-Projekt zu einer teuren Investitionsruine zu verkommen!
So hat etwa die Lufthansa im Vorfeld der Einführung von E-Learning mit einem gezielten Web-Mentoring der Führungskräfte begonnen, um die innerbetrieblichen Entscheidungsträger mit den Tricks und Kniffen des Internets und Intranets vertraut zu machen.
Begriffe, die man kennen sollte...
CBT Abkürzung für Computer Based Training (Computergestützter Unterricht). Ähnlich dem Fernunterricht bearbeiten die Teilnehmer an dieser Lernform selbstständig am Computer mit Hilfe einer speziellen Lernsoftware Materialien und Unterlagen, ergänzt durch Videos und Kommentare elektronischer Tutoren. Der Grad an Interaktivität ist eher gering und beschränkt sich auf zuvor festgelegte Alternativen, die vom Lernenden gewählt werden können. Anhand von Multiple-Choice-Katalogen und Einzelfragen wird zwischenzeitlich der Lernfortschritt geprüft.
Extranet Privates Netzwerk, das Computer verschiedener Unternehmen miteinander verbindet und dabei das Internet als Basis nutzt. Der Zugang zu dem Netzwerk ist über ein Passwort geschützt, so dass nur ausgewählte Unternehmen/ Personen auf die hier bereit gestellten Daten zugreifen können.
Intranet Unternehmensinternes Netzwerk, das auf der selben Technologie beruht wie das Internet. Ein Intranet beschränkt sich auf die firmeninterne Verbreitung von Internet-Daten. Nur berechtigte Personen haben Zugang zum Intranet.
Lernplattform Gemeint ist ein Softwarewerkzeug, auf das entweder im Intranet oder im Internet zugegriffen werden kann. Es ermöglicht als Portal den gezielten Zugriff auf ein Arsenal an Funktionen, die zur Betreuung des Lernenden, zur Adminstration des elektronischen Lernens sowie zur Kommunikation in der Lerngruppe notwendig sind.
Synchrones Lernen Wissensvermittlung und Wissensaufnahme finden gleichzeitig statt (Chat, Videokonferenzen, virtuelles Klassenzimmer).
Asynchrones Lernen Wissensvermittlung und Wissensaufnahme finden zeitlich versetzt statt (z.B. elektronische Studienbriefe, Newsgroups, Lernprojekte).
Teletutor Betreuer des E-Learning, steuert den Unterricht, gibt Auskunft über Lernerfolg und unterstützt die Teilnehmer methodisch wie fachlich.
Virtuelles Klassenzimmer Begriff für eine räumlich verteilte Lerngruppe, die sich auf einer Lernplattform zum synchronen wie asynchronen Lernen trifft.
WBT Abkürzung für Web Based Training. Webgestütztes Lernen findet statt mit und ohne Hilfe eines Teletutors, individuell oder in Lerngruppen. Es basiert auf der Nutzung von Standards. Jeder Computer kann sich über seinen Web-Browser auf die Lernplattform
einschalten, sofern er zugelassen ist.