Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens steht und fällt mit seinen Mitarbeitern. Wie gelingt es nun, den kreativen Köpfen Ideen und Problemlösungen zu entlocken, die im Einklang mit der Unternehmensstrategie stehen?
achen wir uns daran, den Begriff »Ideenmanagement« inhaltlich aufzuschließen, so denken wir an Formulierungen wie »Innovationen anpacken«, »Leistungsreserven mobilisieren«, »kreative Lösungen suchen und umsetzen«, »Fehler als Lernchance begreifen«, oder »systematische Nutzung von Mitarbeiterwissen und Erfahrung«.
Ganz in diesem Sinne hat eine Studie des Wuppertaler Kreises im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft die Formel »Mehr Innovation durch kreativere Mitarbeiter« gewählt, um Sinn und Zweck des Ideenmanagements auf den Punkt zu bringen.
In der Praxis haben sich im Wesentlichen drei Zugangswege zur betrieblichen Umsetzung solcher Vorstellungen bewährt, die wir im Folgenden näher betrachten wollen.
Der Weg über das betriebliche Vorschlagswesen
Ein Weg zum Ideenmanagement nimmt das betriebliche Vorschlagswesen als Ausgangspunkt. Häufig handelt es sich um modernisierte Varianten des Vorschlagswesens, nicht selten auch um den Versuch, ein »eingeschlafenes« Vorschlagswesen wieder in Gang zu setzen. Die Unternehmen wenden sich an ihre Mitarbeiter mit der Aufforderung, Vorschläge zur Verbesserung ihrer Arbeit zu machen.
Eingehende Einzel- oder Gruppenvorschläge werden durch ein spezielles Gremium bearbeitet und durchlaufen ein Begutachtungsverfahren, das über die Annahme oder die Ablehnung des Vorschlags befindet. Um die Mitarbeiter zur Beteiligung am Vorschlagswesen zu motivieren, werden in der Regel Prämien eingesetzt, deren Wert sich an den betriebswirtschaftlichen Vorteilen der Vorschläge orientiert.
Erfahrungsgemäß beteiligt sich bei einer solchen Konstellation nur ein Teil der Mitarbeiter und die eingehenden Vorschläge konzentrieren sich in erster Linie auf technische Verbesserungen an Vorrichtungen oder Anlagen bzw. auf Probleme, die durch andere Bereiche verursacht werden. Ebenso beobachtet wurde eine mit der Zeit nachlassende Beteiligung der Belegschaft.
Bei der Planung zu berücksichtigen ist auch der bürokratische Aufwand für die Begutachtung und Umsetzung der Vorschläge, die den beteiligten Führungskräften zufällt. Hier kann es gelegentlich Probleme geben, die sich aufgrund der engen Zeitbudgets besagter Gutachter ergeben.
Unabhängig davon sind noch zwei Aspekte grundsätzlicher Art im Auge zu behalten: erstens das Konfliktpotential von Vorschlägen, die auch als Ausdruck einer Kritik an der »Führung« gelesen werden können, sowie zweitens die Angst vor negativen Rückwirkungen in Form verkürzter Vorgabezeiten oder Stellenabbau bei einer nachhaltigen Steigerung der Produktivität.
Beide können das Ideenmanagement lähmen und die Produktion guter Vorschläge ganz zum Erliegen bringen.
Permanente Optimierung
Eine andere Variante des Ideenmanagements führt über den Weg des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) und richtet sich am japanischen Vorbild des Kaizen-Prinzips aus. Dieses zielt auf eine permanente Optimierung der Abläufe im unmittelbaren Arbeitsumfeld. Ziel des Kaizen ist es, möglichst alle Mitarbeiter in den Verbesserungsprozess zu integrieren.
Die Bearbeitung und Umsetzung der von den Mitarbeitern eingereichten Verbesserungsvorschläge erfolgt gemeinsam durch diese selbst und ihre unmittelbaren Vorgesetzen; daher kann der KVP auf ein Gutachter-Verfahren verzichten und benötigt lediglich eine oberhalb der betroffenen Ebenen angesiedelte Instanz (KVP-Beauftragter oder Lenkungsgruppe), die bei Unstimmigkeiten eingreift.
Als Anreiz dienen pauschale Anerkennungsprämien (z. B. 25 Euro pro Vorschlag), bei weitreichenden und nachhaltigen Vorschlägen wird die Prämierung gesondert berechnet über den Weg des betrieblichen Vorschlagswesens.
Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess führt nicht selten zu einer Vielzahl an Vorschlägen und Ideen, die sich auf alles und jedes richten dürfen. Das Ergebnis ist zumeist eine bunte Mischung aus bewusst in kleinen Schritten angelegten und zuweilen banal anmutenden Veränderungen, deren Verbesserungspotenzial erst in der Summe zum Tragen kommt.
Ein großes Plus des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ist seine Motivationskraft, die in vergleichsweise hohen Beteiligungsquoten zum Ausdruck kommt. Ein weiterer Vorteil ist das schnelle Umsetzen der Vorschläge ohne bürokratisches Gutachterverfahren. Bewähren sich die Vorschläge, werden sie zu neuen Standards, lassen sie sich nicht mit dem gewünschten Resultat realisieren, kann immer wieder auf die alte Lösung zurückgegriffen und ein zweiter Versuch der Verbesserung gestartet werden.
Doch hat auch der Kontinuierliche Verbesserungsprozess seine Tücken. Und die liegen vor allem darin, dass er in der Regel allein die Quantität der Vorschläge im Auge hat. So kommt es zwar zu vielen Vorschlägen, die allerdings völlig ungerichtet sind und vom Gesamtergebnis her wenig planbar. Dies hat schließlich zu der Überlegung geführt, dem KVP thematisch einen Leitkorridor vorzugeben und ihn mit konkreten Zielvorgaben auszustatten.
Wo keine direkten Vorschläge aus der Mitarbeiterschaft kommen, können flankierend KVP-Gruppen eingesetzt werden, die für einen bestimmten Zeitraum (2-3 Tage) von der Arbeit freigestellt werden, um an speziellen Fragestellungen zu arbeiten.
Im Übrigen gilt auch für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess, dass Ideen dort zurückgehalten werden, wo von deren Umsetzung erhöhte Leistungsvorgaben oder Personaleinsparungen befürchtet werden.
Bestandteil der alltäglichen Arbeit
Bei arbeitsorganisatorisch integrierten Formen des Ideenmanagements ist das Verbesserungswesen unmittelbarer Bestandteil der alltäglichen Arbeit, etwa in Form wöchentlicher Teamgespräche bei Arbeitsgruppen. Diese Gespräche haben die ausdrückliche Funktion, auch nach Fehlerquellen zu suchen und diese zu eliminieren, um die Produktivität der Teams zu steigern, ihre Zusammenarbeit mit vor- und nachgelagerten Instanzen sowie zentralen Diensten zu optimieren und die Kommunikation im Team zu verbessern.
Die Umsetzung dieses Ansatzes erfordert umfangreiche konzeptionelle Vorarbeiten sowie ein schlüssiges Einführungskonzept mit entsprechendem Schulungsaufwand. Weitere Voraussetzung ist ein gutes Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat, da die Einführung von Systemen wie Gruppenarbeit einen hohen betrieblichen Einigungsbedarf mit sich bringt (z. B. Neufassung des Entgeltsystems, Neuzuschnitt der Aufgaben und Funktionen zwischen Führungskräften und Arbeitsgruppen, Betriebsvereinbarungen usw.).
Pragmatischer Einstieg
Wer einen Einstieg ins Ideenmanagement bei Vermeidung größerer innerbetrieblicher Diskussionen und Konflikte sucht, dem stellen sich folgende Fragen:
Auf welches Konzept lassen sich Geschäftsleitung, betriebliche Interessenvertretung und relevante Akteure (mittlere Führung, Produktionsmitarbeiter, Verwaltungskräfte) überhaupt verpflichten?
Kann eine Anbindung des Ideenmanagements an frühere Systeme erfolgen? Wenn ja, gleich im ersten Schritt oder an späterer Stelle?
Zu klären ist zudem, welche weiteren Voraussetzungen vorliegen:
:: Lässt sich anknüpfen an eine bestehende Betriebsvereinbarung?
:: Existieren bereits irgendwelche Formen des Ideenmanagements?
:: Wurde bereits in einzelnen Arealen Gruppenarbeit eingeführt?
:: Sollen Bereiche einbezogen werden, die noch nicht von Gruppenarbeit erfasst worden sind?
:: Besteht bereits ein Prämierungssystem für Mitarbeitervorschläge?
:: Ist eine Bereitschaft zu erkennen, das Entlohnungssystem neu zu gestalten?
Wichtig ist, Mitarbeiter wie die mittlere Führung dort abzuholen, wo sie aufgrund ihres Kenntnisstandes bezüglich der im Ideenmanagement zum Tragen kommenden Techniken und Methoden stehen. Und von dort aus sind sie Schritt für Schritt mitzunehmen auf einem Weg zum Ziel, das unterschiedlich hoch gesteckt sein kann und dessen Ansprüche selbst mit der Zeit wachsen können.
Unterstützung durch die Unternehmensleitung
Und was kann die Unternehmensleitung tun, um einem erfolgreichen Ideenmanagement den Weg zu bahnen?
Dies sind im Wesentlichen die Einrichtung des Spielfeldes und die vorbehaltlose Unterstützung des Anliegens durch
:: eine betriebsöffentliche Verpflichtung ihrerseits auf Ziel und Inhalt des Ideenmanagements
:: eine offensive Informationspolitik gegenüber Betriebsrat und Mitarbeitern
:: Transparenz des Beteiligungsgrades
:: die Nachvollziehbarkeit des Bearbeitungsstandes von Vorschlägen
:: die Sorge für verbindliche Bearbeitungsfristen
:: das Einrichten eines Prämiensystems
:: das Einsetzen von Ansprechpartnern in einer Lenkungsgruppe
:: die Schaffung von produktionsnahen Informations- und »Lernecken«, in denen sich Teams, KVP-Gruppen sowie informelle Gruppen treffen können, um über Verbesserungsvorschläge zu beraten.
Einstieg in einen permanenten Lernprozess auf allen Ebenen
Wo das Ideenmanagement gelingt, werden auf allen Unternehmensebenen Lernprozesse in Gang gesetzt.
Die Unternehmensleitung lernt, mit strategischen Vorgaben (»Lernkorridor«) umzugehen und realistische, umsetzbare Ziele mit allen Unternehmensebenen zu vereinbaren, um den Prozess der Ideen- und Wissensproduktion durch zyklische Inputs in Gang zu halten.
Die Mitarbeiter in der Produktion und Verwaltung lernen, kreativ auf Probleme und neue Herausforderungen einzugehen und diese im Sinne der Unternehmensziele zu lösen.
Von den Anforderungen her gestaltet sich die Situation der mittleren Führungskräfte am schwierigsten, da sie in eine Art Zangensituation geraten können. Einerseits müssen sie lernen, die Vorgaben der Unternehmensleitung auf ihren Verantwortungsbereich herunterzubrechen und dort zu realisieren. Dabei geht es im Wesentlichen um das Verständlich-Machen von Zielen im Kreise ihrer Mitarbeiter und der Durchsetzung von Maßnahmen zur Zielerreichung über den Weg der Zielvereinbarung. Gleichzeitig sollen sie es andererseits auch sein, die ihren Mitarbeitern hilfreich zur Seite stehen, wo es um den Einsatz von Techniken und Verfahren der Fehleranalyse und Problembehebung selbst geht, eben um diese vorgenannten Ziele mit Leben zu füllen.
Ob im Coaching-Gespräch mit einzelnen Mitarbeitern oder in der Unterstützung von KVP-Gruppen, ob bei der Entwicklung von Einzel- oder Gruppenvorschlägen und vor allem in der praktischen Umsetzung der Verbesserungsvorschläge – auf breiter Front ist in Zukunft ein kooperativer und anleitender Führungsstil gefragt, dessen Ziel ein permanentes Lernen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz selbst ist.
Ausblick
Unter »Ideenmanagement« können wir das systematische Fördern von Erkenntnissen und Problemlösungen verstehen, die helfen, im Vorfeld gestellte Entwicklungsziele zu verwirklichen. Beides gehört zusammen, um den Anforderungen des Begriffs Rechnung zu tragen: a) die systematische Vorgehensweise und b) realistische Bezugsgrößen, auf die hin das Vorgehen ausgerichtet werden kann.
Ziel des Ideenmanagements ist es nicht nur, die Anzahl der Ideen, Entwicklungen und Verbesserungsvorschläge im Unternehmen zu vergrößern, sondern zugleich das Potenzial des Erfahrungswissens aller Mitarbeiter in Richtung auf die Umsetzung strategischer Vorgaben zu lenken.
Die Ergebnisse eines gut funktionierenden Ideenmanagements sind vielschichtig und vielseitig, je nach betrieblichen Schwerpunkten. Insgesamt kann mit folgenden positiven Entwicklungen gerechnet werden:
:: Verringerter Ausschuss und weniger Verschwendung aller Art
:: höhere Produktivität
:: höhere Arbeitszufriedenheit
:: sicherere Arbeitsplätze
:: kooperative Führungskultur
:: stärkerer Teamgedanke (Wir-Gefühl im Unternehmen).