Unter dem Begriff »Ideenmanagement« werden heute verschiedene Management-Ansätze und Empfehlungen zusammengefasst, denen eines gemeinsam ist: Sie wollen das »Gold in den Köpfen der Mitarbeiter« heben, wollen wirksame Impulse für die betriebliche Entwicklung freisetzen, um zu Produktivität und Wachstum beizutragen. Wie können Mitarbeiter zum engagierten Mitmachen und Mitdenken bewegt werden?
ngefangen vom betrieblichen Vorschlagswesen über das Total-Quality-Management und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess KVP, über die mit der Lean Production eingeführte Arbeitsform der Gruppenarbeit bis hin zu eher abstrakten Visionen einer lernenden Organisation oder dem Wissensmanagement: Alle diese Konzepte verfolgen das Ziel, den Mitarbeiter zum engagierten Mitdenken und Mitmachen zu bewegen. Sein Wissen, seine Erfahrungen, sein kreatives Vermögen, Probleme und schwierige Aufgaben zu lösen – dies ist das Potential, dessen bessere Nutzung das Ideenmanagement propagiert.
Doch nicht selten verspricht das Ideenmanagement mehr als es hält. Projekte scheitern und hinterlassen Irritation. Die Ursachen des Scheiterns liegen bei näherem Hinschauen auf der Hand. Zunächst ist da die irrige Vorstellung, Motivation und Engagement der Mitarbeiter ließen sich mit einer Rezeptformel »Ideen-Management« auf Kommando herstellen – etwa mittels eines standardisierten Projektmanagements. Zweitens sind die Vorschläge der Mitarbeiter nicht alle gleich brauchbar. Und dann sind da noch verkrustete Strukturen, die eine Umsetzung von Mitarbeitervorschlägen unterlaufen oder zu blockieren versuchen. Und nicht nur das.
Die Diagnose
Ein weiterer Aspekt ist der unreflektierte Blick des statistischen Erbsenzählers. Ganz in Controlling-Manier wertet er Mitarbeitervorschläge nach quantitativen Gesichtspunkten aus. Und entsprechend gestaltet sich vielerorts die betriebliche Zielsetzung: Möglichst viele Ideen sollen es sein, immer mehr Vorschläge, Ideen allein um der Ideen willen – ausgerichtet an der Grundvorstellung »die Masse macht’s«.
So waren Fehlgriffe vorprogrammiert. Fehlgriffe übrigens mit vielen Facetten und einigen überraschungen.
In einigen Unternehmen nämlich klappte das mit den Mitarbeiterideen so gut, dass die bereitstehende Verwaltungskapazität zur Bearbeitung aller Vorschläge nicht ausreichte. Vieles blieb liegen, gute Vorschläge verschwanden in Schubladen oder auf Datenfriedhöfen der EDV, gelegentlich wurde sogar von Ideenklau berichtet: Führungskräfte hielten Mitarbeitervorschläge gezielt zurück, um sie der Geschäftsleitung nach einiger Zeit bei passender Gelegenheit als eigene Beiträge zu präsentieren. Und überall ein ähnliches Bild: anfängliche Begeisterung weicht zunehmend einer tiefen Frustration – hatte man es nicht schon immer gewusst, dass die Unternehmensleitung eigentlich überhaupt kein Interesse an den Ideen und Vorschlägen der Mitarbeiter hat?
Andernorts konnten von Anfang an nur wenige Vorschläge vermerkt werden, und dann vor allem auch noch solche, die nicht weiter halfen, z.B. Vorschläge, was andere – vorgelagerte oder nachgelagerte Bereiche, die Führung oder aber Lieferanten verbessern können – von eigener Beteiligung kaum ein Wort.
Und schließlich sind da noch etliche Arbeitsgruppen, die entsprechend ihrer Aufgabenstellung im eigenen Umfeld Veränderungen anregen und zum Teil deutliche Verbesserungen in der Produktivität vermelden konnten. Doch auch bei ihnen trocknete das Ideenpotenzial mit der Zeit aus und die Gruppen fanden von sich aus kaum mehr Anhaltspunkte für weitere Verbesserungsvorschläge. Was auch hier - ebenso wie in allen übrigen Fällen - fehlte, war eine Orientierung für die Ideensuche.
Der Therapievorschlag
Ideen lassen sich nicht managen. Sie entstehen auch nicht im luftleeren Raum. Sie benötigen neben Freiheit und Unterstützung auch Vorgaben. Vorgaben, die zeigen, wohin die Entwicklung gehen soll, die das Engagement der Mitarbeiter in eine feste Richtung lenken.
Das können heruntergebrochene Elemente aus strategischen Zielsetzungen ebenso sein wie konkrete Probleme aus dem Arbeitsalltag. Und das müssen nicht notwendigerweise viele, es müssen vor allem die richtigen sein: Ziele, die für eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung von Bedeutung sind. Denn nicht die Masse an Ideen, sondern allein deren betrieblich nutzbare Seite ist Gegenstand dessen, was als ein gelungenes »Ideenmanagement« bezeichnet werden kann.
Was benötigt wird, ist eine Art Lernkorridor, ein definierter Bereich, auf den sich das Bestreben um neue Lösungen, Verbesserungen und Ideen konzentriert. Der den Anstrengungen quasi Leitplanken verleiht und sie sicher ins Ziel führt. Dies spricht für eine Anbindung des Ideenmanagements z.B. an die Balanced Score Card oder eine andere Form der strategischen Zielbildung. Davon losgelöste Ideen und Verbesserungsvorschläge werden nicht ausgeschlossen. Sie sind auch weiterhin willkommen. Aber: sie sind nicht das Kernprodukt des Ideenmanagements, sondern eher eine positive Nebenwirkung.
Damit wechselt der diffuse Blick des Ideenmanagements in Richtung auf ein gezieltes betriebliches Lernen, vor allem on-the-job, was Unternehmen entgegen kommt, die aus organisatorischen Gründen wenig Zeit für Seminare und Schulungen haben. Problemlösendes Lernen und kreative Ideenbildung werden hier in den Arbeitsalltag integriert, auf allen Hierarchieebenen und in allen Unternehmensbereichen.
Aufbruch in eine neue Führungskultur
Aus dieser Sicht ist Ideenmanagement nicht allein ein Ansatz zur Produktion neuer Ideen und Problemlösungsvorschläge durch die Mitarbeiter. Es markiert zugleich den Aufbruch in eine neue Führungskultur, deren oberstes Ziel in der aktiven Beteiligung der Mitarbeiter bei der Ausgestaltung der Arbeitsabläufe vor Ort besteht.
Der Einstieg ins Ideenmanagement nimmt häufig den Weg über das Vorschlagswesen oder Spielarten des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Patentrezepte gibt es nicht, sind auch nicht notwendig. Für den kurz- und mittelfristigen Erfolg des Ideenmanagements ist es wichtig, an die betrieblichen Voraussetzungen anzuknüpfen und diese einen Schritt weiter zu entwickeln. Beispiele erfolgreicher Verbesserungsvorschläge wirken dann als positive Motivatoren und prägen die weitere Entwicklung.
Ideenmanagement ist keine Frage der akademischen Lehre, sondern der praktischen Intelligenz. Alles, was hilft, Mitarbeiterwissen und –erfahrung zu aktivieren, ist gefragt.
Dies gelingt umso besser, je mehr die Mitarbeiter über die geplanten Veränderungen informiert und in die Techniken der Problemanalyse und Problemlösung eingewiesen sind.
Auch die Führungskräfte sollten auf Ihre neuen Aufgaben vorbereitet sein, etwa durch eine Schulung in Coaching-Techniken und situativem Führungsverhalten. Weiterer Schwerpunkt der Qualifizierung ist die Ausbildung der didaktisch-methodischen Fähigkeiten, die im Zuge des Ideenmanagements gefragt sind.
»Doppelstrategie« des Ideenmanagements
Ideenmanagement ist ebenso keine Angelegenheit von Seminaren, Schulungen und Projekt-Gruppen. Deshalb sollten seine Aktivitäten bis in den konkreten Arbeitsprozess hinein greifen und auf eine Verlagerung der Problemlösung möglichst an den Ort des Geschehens selbst hin drängen. Direkt am Arbeitsplatz und unmittelbar nach ihrem Auftreten werden Fehler, Mängel oder logistische Probleme zusammen mit dem Vorgesetzten untersucht und auf mögliche Problemlösungen hin abgeklopft.
Schlägt der Versuch einer Problemlösung vor Ort fehl, werden die zu bearbeitenden Fragen, Probleme, Fehler, Mängel etc. in einen Themenspeicher überführt. Zu dessen Bearbeitung können dann spezielle »KVP-Gruppen« eingesetzt werden. Deren Aufgabe ist es, Lösungsvorschläge für alle übrig gebliebenen Probleme zu suchen.
Diese »Doppelstrategie« macht den Weg frei für ein gezieltes Coaching der Mitarbeiter durch ihre Führungskräfte. Ziel dieses Coachings ist es, Schritt für Schritt die Techniken der Problemanalyse und Problemlösung zunächst vor Ort am eigenen Arbeitsplatz einzuüben, um sie schließlich am Ende eigenständig und selbstverantwortlich in KVP-Gruppen oder Einzelvorschlägen umzusetzen.
Dieses Verfahren des Coachings (über die aufsteigenden Stufen des Anleitens, Lenkens, Unterstützens und Delegierens) über ständige Lernschleifen des Vormachens, Anwendens, Beobachtens/Korrigierens und verbesserten Einsatzes der Problemlösungstechniken ist nicht nur konsequent praxisbezogen, sondern zugleich auch geeignet für einen Personenkreis mit einer geringen beruflich-fachlichen Qualifikation und geringer Weiterbildungserfahrung.
Folgende Merkmale kennzeichnen den dabei anzustrebenden Lernprozess:
:: »pädagogische Reduktion« (Beschränkung auf das Wesentliche, das für die Lösung der Aufgabe »Ideenmanagement« nötig ist)
:: Lernen nach der Vorgabe einer schrittweisen Einführung zunächst von einfachen, später auch von komplexeren Techniken und Verfahren
:: Coaching als schrittweise Befähigung der Mitarbeiter in mehreren Stufen
:: von der Problemlösung vor Ort über das Vorschlagswesen zur Beteiligung an KVP-Gruppen.
So gelingt es dem Ideenmanagement, die Anzahl der Ideen, Entwicklungen und Verbesserungsvorschläge im Unternehmen zu vergrößern und gleichzeitig das Potenzial des Erfahrungswissens aller Mitarbeiter in Richtung auf die Umsetzung strategischer Ziele zu lenken.