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Paul Mason:
Postkapitalismus. Grundrisse einer kommenden Ökonomie

ISBN: 3518425390
Erscheinungsjahr: 2016
Suhrkamp Verlag

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Kapitalismus am Ende
        


 
ie langfristigen Aussichten für den Kapitalismus sind schlecht«, konstatiert Paul Mason gleich zu Beginn seines Abgesanges auf den Kapitalismus. Das Wachstum in entwickelten Ländern bleibe schwach, die Ungleichheit werde zunehmen. Selbst in Entwicklungsländern werde zu unseren Lebzeiten das Wachstum zum Erliegen kommen. Kurz: Der Kapitalismus habe seine besten Zeiten hinter sich. Paul Mason prophezeit das Ende der kapitalistischen Epoche, wie wir sie kannten: Der Kapitalismus werde keinen Massenwohlstand mehr hervorbringen, stattdessen hätten wir vermehrt mit Verteilungskämpfen und politischem Extremismus zu rechnen. Millionen von Arbeitsplätzen würden der Automatisierung zum Opfer fallen und Versuche, die bestehende Ordnung mit autoritären Mitteln aufrechtzuerhalten, könnten irgendwann im Diktatorischen enden.

Der langjährige britische Wirtschaftsjournalist Paul Mason beginnt sein 430 Seiten starkes Buch Postkapitalismus mit einer ausgedehnten Bestandsaufnahme und kommt zu dem Schluss, dass der Kapitalismus seinen Niedergang selbst hervorgebracht hat: Die durch die modernen Informationstechnologien angetriebenen Open-Source-, Open-Access- und Open-Content-Bewegungen sowie 3D-Printing werden Eigentum zunehmend überflüssig machen. Information ist reichlich verfügbar, beliebig kopierbar und prägt immer stärker die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen. »Es tobt ein Krieg zwischen Netzwerk und Hierarchie«, fasst Mason den Widerspruch des herrschenden Systems zusammen, in dem sich neue Alternativen bereits abzeichnen. Einem vielfältigen Angebot an kostenlosen Gütern würde heute ein »System von Monopolen, Banken und Regierungen« gegenüberstehen, das alles dafür tut, »damit diese Güter knapp, kommerziell nutzbar und im Privatbesitz bleiben«.

Technologie bringe den vernetzten, hoch informierten Menschen hervor und mit ihm entstehe eine Ökonomie der kostenlosen Dinge. Immer wieder dient Mason Wikipedia als Vorbild. Auch die Sharing Economy wird als Vorbote einer neuen Kultur des Gemeineigentums ins Feld geführt. Denn der Wert vieler Dinge liege nicht mehr in ihrer Verkäuflichkeit, sondern in ihrer gemeinsamen Nutzbarkeit. Überall entstehen Paul Mason zufolge revolutionäre neue Mischformen zwischen Markt, Staat, Gemeineigentum und Technik. Die Grundpfeiler seiner postkapitalistischen Wirtschaftsordnung bilden verstaatlichte Notenbanken, die so viel Geld drucken wie der Staat braucht; eine radikale Energiewende mit ausschließlich dezentral und alternativ hergestellter Energie; ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil die Definition des Lebens über Arbeit vorbei ist und Arbeit nicht mehr den sozialen Kitt liefert; und schließlich Netzwerkorganisationen, in denen Produkte gemeinschaftlich hergestellt und konsumiert werden.

Auch wenn Masons Ideen dazu taugen, ihn zum Helden der Linken zu machen – es steckt weniger Sozialismus in seinem Postkapitalismus als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Paul Masons Modell kommt ganz ohne zentrale Planung aus, auch werden die Veränderungen nicht durch die Arbeiterklasse angetrieben, sondern der »gebildete und vernetzte Mensch des Computerzeitalters« steht im Mittelpunkt intelligenter Netzwerkstrukturen, die Basis des Neuen sind. Und auch der Staat zeigt ein anderes Gesicht: Weil die traditionelle Linke mit ihrer Idee des alten, starken Staates gescheitert ist, werde der Staat des postkapitalistischen Projekts ein freundlicher, helfender sein.

Vermögen Masons Thesen zu überzeugen? Ist sein postkapitalistisches Modell bloßes Wunschdenken oder doch eine plausible Blaupause für die Wirtschaftswelt, in der wir uns bald befinden werden? So frisch und optimistisch Mason auch argumentiert, bleibt doch fraglich, warum gerade dieses Mal der Kapitalismus keinen Ausweg aus seinem selbst produzierten Schlamassel finden sollte. Unbeantwortet bleibt etwa auch, warum die Profiteure des bestehenden Systems den Wandel ohne Widerstand mitgehen sollten? Warum sollen Netzwerke Hierarchien überlegen sein? Auch kein Wort darüber, dass auch die neue Ordnung wieder Mächtige hervorbringt – die Herrscher über die Technologien in Silicon Valley oder die Plattformbetreiber der Sharing Economy. Auch wenn Mason einige Antworten schuldig bleibt, sein frisch und unterhaltend geschriebenes Buch stellt große Fragen und regt jedenfalls zum Nachdenken über die Folgen der Informationsrevolution für Gesellschaft und eine künftige Wirtschaftsordnung an.