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Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee:
The Second Machine Age. Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird

ISBN: 3864702119
Erscheinungsjahr: 2014
Plassen Verlag

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Mit Maschinen Hand in Hand
        


 
eit der Mensch Maschinen erfunden hat, um Arbeit abzunehmen, fürchtet er auch, dass sie ihn gänzlich ersetzen. Auch die technologischen Fortschritte von heute rufen denselben Reflex hervor. Mit ihrem Buch The Second Machine Age. Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird reihen sich die beiden MIT-Forscher Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee ein in die Reihe der Klagenden, jedoch werfen sie einen durchaus differenzierten Blick darauf, wie moderne Technologien Arbeit unnötig machen.

Brynjolfsson und McAfees liebstes Beispiel automatisierter Arbeit ist Googles fahrerloses Auto, das völlig ohne menschliche Intervention auskommt. Ebenso automatisiert und ohne menschliches Zutun werden künftig von Studenten verfasste Aufsätze korrigiert werden, und zwar objektiver, konsistenter und schneller als dies Professoren aus Fleisch und Blut jemals leisten könnten. Und Smartphones reagieren allein auf unsere Stimmen.

Aber all dies sind für die Autoren noch nicht die krönenden Errungenschaften der digitalen Revolution, sondern lediglich deren Aufwärmübung. Das Besondere, die Macht der modernen Maschinen liegt nicht einfach darin begründet, dass sie Menschen beim Schach oder »Jeopardy« schlagen können. Ihre Macht liegt darin, dass sie kombiniert mit Tausenden von billigen Sensoren und riesigen Datenbanken nicht nur ein Auto sicher lenken können, sondern noch dazu den optimalen Weg zum Ziel finden. Weil nicht nur Straßenkarten in den Datenbanken gespeichert sind, sondern weil Smartphones sich austauschen und über Staus Auskunft geben. Auch Roboter können heute Objekte in ihnen unbekannten Räumen wahrnehmen, was ihnen erlaubt, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Computer dienen als Übersetzer, nicht weil sie eine Sprache gelernt haben, sondern weil sie alles, was bislang geschrieben wurde gefüttert bekommen und darin Muster erkennen. Computer können Essays nicht nur lesen und benoten, sie können diese auch schreiben.

Dies sind die Merkmale des zweiten Maschinenzeitalters, das als Ära des unglaublichen Fortschritts im Bereich der digitalen Technologien beschrieben wird. Ging es im ersten Maschinenzeitalter um die Automatisierung von manueller Arbeit, so geht es im zweiten Maschinenzeitalter um die Automatisierung von Wissensarbeit. Die industrielle Revolution hat Maschinen hervorgebracht, die ergänzend an die Seite der menschlichen Arbeit traten. Die Maschinen mussten immer noch von Menschen bedient werden. Dagegen automatisiert und erweitert das zweite Maschinenzeitalter unsere kognitiven Aufgaben und es ist fraglich, ob die neuen intelligenten Maschinen, die sich die Fortschritte in der Rechenleistung, Künstlichen Intelligenz, vernetzten Kommunikation und der Digitalisierung von nahezu allem nutzbar machen, immer noch bloß eine ergänzende Rolle spielen oder ob sie menschliche Arbeit gänzlich ersetzen.

Zunächst, so sehen es Brynjolfsson und McAfee voraus, werden Routinetätigkeiten der Informationsverarbeitung einer Welle der Automatisierung anheimfallen. Beispielsweise muss es heute nicht mehr Sache des Steuerberaters sein, eine Steuererklärung zu erstellen. Software kann diese Aufgabe billiger und schneller übernehmen als die meisten menschlichen Arbeitskräfte. Danach wird sich die Automatisierung aber auch auf Aufgabenbereiche erstrecken, die die meisten von uns nicht als Routinetätigkeit betrachten würden – die Diagnose von Krankheiten beispielsweise. Dies wird künftig ein typisches Einsatzfeld des Supercomputers Watson sein, der dabei zu den weltbesten Diagnostikern zählen wird. Als Bereich, in den Maschinen zumindest auf kurze Sicht nicht einfallen werden und in dem weiterhin Menschen unersetzlich bleiben und der daher auch künftig Wachstum verzeichnen wird, sehen die Autoren alle jene Jobs, die sich rund um Kreativität und zwischenmenschliche Beziehungen drehen.

Um zu veranschaulichen, wie die Änderungen in unserer Gesellschaft sichtbar werden, zeichnen die Autoren die Entwicklung der beiden Unternehmen Kodak und Instagram nach: Obwohl Kodak eine amerikanische Ikone und weltbekannte Marke ist, überlebte das Unternehmen nicht. Zu seinen Lebzeiten war Kodak höchst einflussreich, machte seinen Gründer George Eastman reich und seine Kunden glücklich und schuf eine Menge Arbeitsplätze. Auf der anderen Seite Instagram, eine einfache App: Zum Zeitpunkt als das Unternehmen für eine Milliarde Dollar von Facebook gekauft wurde, beschäftigte es weniger als 15 Mitarbeiter. Auch Instagram macht seine Kunden glücklich, schafft jedoch keine Arbeitsplätze. Es ist auf die Eigenheiten des zweiten Maschinenzeitalters zurückzuführen, dass der Marktwert von Facebook⁄Instagram heute um ein Vielfaches den höchsten jemals von Kodak erreichten Wert übersteigt und auf einen Schlag sieben Milliardäre schuf, deren Vermögen dasjenige von Eastman bei weitem übersteigt. Dies ist ein Beispiel für die »Fülle«, die das zweite Maschinenzeitalter schafft.

Ebenso demonstriert die Evolution der Fotografie, wie ungleich diese »Fülle« verteilt ist – die Autoren sprechen vom »Gefälle«. Das zweite Maschinenzeitalter hat nicht nur eine neue Klasse extrem reicher Unternehmer und Investoren hervorgebracht, dies gelang dazu noch mit einem Unternehmen mit nur 4.600 Angestellten. Kodak beschäftigte hingegen zu Spitzenzeiten 145.000 Menschen. In Kodaks Zeiten – dem ersten Maschinenzeitalter – stiegen Produktivität, Beschäftigung und Einkommen Hand in Hand. Im zweiten Maschinenzeitalter hat sich das Wachstum der Produktivität von demjenigen von Jobs und Einkommen abgekoppelt. Und dieses Auseinandertriften hat seinen Grund eben in den Eigenheiten der digitalen Ökonomie, in der Güter und Leistungen einer unendlichen Zahl von zusätzlichen Kunden angeboten werden können – zu Kosten, die zumeist gegen Null gehen.

Auf dieser Basis beschreiben die Autoren zwei große ökonomische Effekte. Zum einen sehen sie einen unglaublichen Anstieg in der Lebensqualität kommen, der sich in Maßgrößen wie dem Bruttosozialprodukt nicht ausdrückt, weil uns das zweite Maschinenzeitalter kostenlose Güter und Services bescheren wird, wie wir sie zuvor nicht hatten. Als zweiten Effekt sehen sie eine sich weitende Kluft zwischen Arm und Reich, wachsende Ungleichheit und verringerte Chancen Einkommenspositionen zu ändern.

Das zweite Maschinenzeitalter legt den Grundstein für eine Zukunft des Reichtums und des Überflusses, so sind Brynjolfsson und McAfee überzeugt. Nur eines wird es nicht im Übermaß geben: Arbeit. Wie lässt es sich aber in einer arbeitslosen Gesellschaft leben, wo doch schon Voltaire meinte: »[D]ie Arbeit hält uns drei große Übel fern: Langweile, Laster und Not.« Die Autoren gehen davon aus, dass die Störungen in der Arbeitswelt keineswegs zu Not führen. Aber die beiden anderen Übel könnten sich ausbreiten, befürchten Brynjolfsson und McAfee, denn Arbeit spielt für Menschen eine große Rolle, dient sie doch nicht nur dem Geldverdienen, sondern Menschen ziehen daraus noch viel mehr, etwa Selbstwertgefühl, Gemeinschaft, Struktur, Würde und vieles mehr. Viele Empfehlungen der Autoren gehen daher in die Richtung, Arbeit in der Wirtschaft aufrecht zu erhalten – trotz der Errungenschaften durch Technologie.

Zu diesem Zweck werfen die beiden Autoren zunächst das bedingungslose Grundeinkommen in den Ring. Ihre erste Wahl ist es jedoch nicht. Hierfür liefert Voltaire die Begründung: Zwar würde ein bedingungsloses Grundeinkommen vor Not schützen, nicht aber vor Laster und Langeweile. Die Autoren sprechen sich daher für andere Wege aus und greifen auf eine der »ältesten Empfehlungen der Wirtschaftswissenschaften überhaupt« zurück: »Unliebsames besteuern, Erwünschtes subventionieren.« Sie regen daher zum Nachdenken über die negative Einkommensteuer nach. Denn dieses Konstrukt verbindet ein garantiertes Mindesteinkommen mit dem Anreiz, zu arbeiten.

Brynjolfsson und McAfee argumentieren auch, dass die neue »Fülle« des zweiten Maschinenzeitalters zudem die Nachfrage nach Jobs in andere Bereiche verschieben wird – wie es durch neue Technologie stets der Fall war. Die smarten Maschinen bringen etwa erhöhte Nachfrage nach spezialisierten Programmierkenntnissen hervor. Um den Übergang reibungsloser zu gestalten, weisen die Autoren auf die Bedeutung von Bildung hin. Das immer noch auf den Anforderungen des Industriezeitalters basierende Bildungssystem müsse umgestaltet werden, um ein breiteres Spektrum an persönlichen und intellektuellen Fähigkeiten zu fördern, die nötig sind, um an der Seite der neuen intelligenten Maschinen zu bestehen.

Die von den beiden Wirtschaftswissenschaftlern vorgebrachten Empfehlungen schaffen Zuversicht und setzen sich angenehm von der ansonsten dieses Thema beherrschenden Panikmache ab. Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee verstehen es meisterhaft, ihr Wissen über aufstrebende Technologien und Wirtschaft zu kombinieren, um ein Bild der dynamischen Kräfte zu zeichnen, die unser gesamtes Leben formen werden. Das macht The Second Machine Age zu einem großartigen Buch. Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee liefern wichtige Einsichten, wie digitale Technologien unsere Wirtschaft verändern und machen dabei stets klar: Dieser Prozess hat gerade erst begonnen.

Trotz all der Unwägbarkeiten, die diese Umwälzungen bringen, haben Brynjolfsson und McAfee ein optimistisches Buch geschrieben: Denn intelligente Maschinen werden eine Fülle neuer Möglichkeiten bringen. Um den neuen Reichtum tatsächlich zu schaffen, werden wir Wege finden müssen, gemeinsam mit den Maschinen zu gehen und nicht gegen sie anzukämpfen. Die kenntnisreich diskutierten Empfehlungen lassen keinen Zweifel daran, dass dies auch gelingen wird.