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Zygmunt Bauman:
Leben als Konsum

ISBN: 3868542116
Erscheinungsjahr: 2009
Hamburger Edition

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Der unzufriedene Konsument
        


 
ie auch schon in früheren Büchern widmet sich der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman dem Konsumismus der modernen Gesellschaft: Leben als Konsum nennt sich sein neuestes Werk, das schon im Titel die wichtigste Botschaft trägt: Der Konsumismus mit seinen Marktgesetzen durchdringt alle Lebensbereiche und verändert die sozialen Beziehungen.

Der Konsum hat zu einem einschneidenden Wandel der Gesellschaft beigetragen und ist heute Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Bauman erklärt die Veränderungen mit dem Übergang von der »Gesellschaft von Produzenten« zu einer »Gesellschaft von Konsumenten«. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Stabilität sich von einem Aktivposten zu einem systemischen Nachteil gewandelt hat: War man früher auf die Herstellung langlebiger Güter, auf Dauerhaftigkeit und Sicherheit fokussiert, so liegt die Sache heute gänzlich anders: Glück wird heute weniger mit der Befriedigung von Bedürfnissen assoziiert, sondern mit einer ständigen Zunahme und Intensivierung von Wünschen. Dinge, die wir uns kaufen, wollen wir sofort gebrauchen und dann auch bald wieder ersetzen.

Die Konsumgesellschaft lebt nur solange, als sie erfolgreich dafür sorgt, dass die Bedürfnisse ihrer Mitglieder nicht befriedigt werden. Jeder Wunsch muss sogleich den nächsten Wunsch hervorrufen. Der Warenkreislauf zwischen Fließbändern, Geschäften und Müllhalde darf nie ins Stocken geraten. Die Konsumgesellschaft floriert daher nur, wenn Versprechen irreführend oder zumindest übertrieben sind und ist daher auch eine »Ökonomie der Täuschung«. Ganz wesentlich ist der Konsumismus nicht nur davon abhängig, immer neue Dinge hervorzubringen, sondern diese auch abzuwerten und zu entwerten. Denn die Konsumgesellschaft wird am Laufen gehalten durch die Unzufriedenheit der Konsumenten, »deren Produktion sie meisterhaft beherrscht«. Alles dreht sich um Geschwindigkeit, Überschuss und Abfall: Die Lebenserwartung von Wünschen wird immer weiter verkürzt, auch die Zeit bis zu deren Erfüllung und auch die Zeit zwischen Erfüllung und Entsorgung der Ware. Zygmunt Bauman geht sogar so weit, zu fragen, ob es die eigentliche Ausrichtung der konsumistischen Gesellschaft sei, Dinge loszuwerden. Unternehmen, die heute »haltbare Güter« erzeugen, machen nicht selten das Hauptgeschäft mit der Dienstleistung der Entsorgung.

Was treibt den Konsumenten von heute zum unablässigen Konsum von Gütern – und dem nachfolgenden Wegwerfen? Zygmunt Bauman identifiziert als Hauptmotiv ein Heraustreten aus einer grauen und langweiligen Welt. Die Konsumwelt bietet laufend Neuanfänge, Auferstehungen und Möglichkeiten, »neu geboren« zu werden. Es geht den Konsumenten um ein Entwerfen und ständiges Neuentwerfen der eigenen Identität. Denn Identitäten werden niemandem in die Wiege gelegt, sondern sind Projekte: Konsumgüter werden »inklusive Identität« geliefert und so kann sich der moderne Mensch aus dem Identitätsbaukasten auf dem Markt bedienen. In einem instabilen Umfeld sei diese permanente Neuerfindung des Selbst die einzige vernünftige Strategie, so Bauman. Dabei werde die Subjektivität selbst zur Ware. Die Warenform dringt in Dimensionen des gesellschaftlichen Lebens vor, die bisher nicht ihrer Logik unterworfen waren.

Auf dem Markt erwirbt der Konsument Eigenschaften, die seine Attraktivität und damit seinen Marktwert erhöhen. Konsumieren wird in der konsumistischen Gesellschaft damit zur Investition in die Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Für Bauman ist das eigentliche Ziel des Konsums weniger die Befriedigung von Bedürfnissen, als vielmehr »Verkäuflichkeit« zu erlangen und zu erhalten. Der Konsument wird in den Status einer verkäuflichen Ware gehoben. Die Trennung zwischen Dingen, die zur Wahl stehen und jenen, die auswählen, verwischt.

So ist es auch zu erklären, dass die Gräben in unserer Gesellschaft heute zwischen jenen verlaufen, die konsumieren und jenen, die nicht konsumieren. Arm sei heute der »Nicht-Konsument«, nicht der »Arbeitslose«. In der Konsumgesellschaft stellen »fehlerhafte Konsumenten« ein Problem dar. Vor diesem Hintergrund besteht der Sinn des Sozialstaats vor allem darin, die Zahl der Ausgeschlossenen, sprich: der »Nicht-Konsumenten«, zu beschränken.

Leben als Konsum ist eine großartige Beschreibung des Wandels unserer Gesellschaft, in der Konsumieren als Freizeitvergnügen als auch Teilnahmebedingung an der Gemeinschaft gilt. Das Buch wirft einen erhellenden Blick auf ein allseits aktuelles Phänomen unserer Zeit: Wie wir nicht nur konsumieren, sondern konsumiert werden; der Konsument wird selbst zur Ware.