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George A. Akerlof, Robert Shiller:
Animal Spirits. Wie Wirtschaft wirklich funktioniert

ISBN: 3593389371
Erscheinungsjahr: 2009
Campus Verlag

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Herdentrieb statt Rationalität
        


 
er könnte abstreiten, dass Menschen in ihren Entscheidungen und Handlungen von Emotionen beeinflusst werden? Genau das Gegenteil bildete jedoch für die Wirtschaftswissenschaften längste Zeit die Basis für ihre Erklärungsmodelle: der Mensch entscheide stets mit kühlem Kopf und habe dabei sämtliche relevanten Informationen zur Verfügung. Nur langsam rücken die Wirtschaftswissenschaften von dieser Sichtweise ab und suchen nach alternativen Grundlagen für ihre Theorien.

Nobelpreisträger und Berkeley-Ökonom George A. Akerlof und Yale-Ökonom Robert Shiller wenden sich gegen die Vorstellung vom Homo oeconomicus und befassen sich in ihrem Buch Animal Spirits mit menschlichen Instinkten und ihrem Einfluss auf die Wirtschaft. Schon John Maynard Keynes hatte die verschiedenen menschlichen Beweggründe und Gefühle als Triebkraft in der Wirtschaft demaskiert; er prägte in seinem 1936 erschienen Klassiker General Theory of Employment, Interest and Money auch den Begriff der »Animal Spirits«.

Akerlof und Shiller greifen dieses Erklärungsmuster nun wieder auf und gehen noch weiter: die »Animal Spirits« seien gar die Verantwortlichen der momentanen Finanzkrise. Man müsse sich nur umsehen, meinen die Autoren, um zu dem Schluss zu kommen, die Wiederkehr der Großen Depression sei wie auch schon das Original ein Resultat der »Animal Spirits«. Wenn schon nach der Weltwirtschaftskrise die Wirtschaftswissenschaften ihren traditionellen Modellen treu geblieben sind, so ist es jetzt höchste Zeit, einen realistischeren menschlichen Faktor in der klassischen Theorie zu berücksichtigen, um das wirtschaftliche Verhalten der Menschen besser abbilden zu können. Sowohl Akerlof als auch Shiller gehören der Fachrichtung der Verhaltensökonomie an, welche zum Ziel hat, Ansätze aus der Psychologie, Soziologie oder der Politikwissenschaft in die Ökonomik zu integrieren.

Eindrücklich legen die Autoren dar, wie »Animal Spirits« dazu führen, dass wir wirtschaftliche Entscheidungen keineswegs immer rational treffen. Sie schildern beispielsweise ein Experiment, in dem eine Versuchsgruppe während eines Spiels kooperieren soll. Wenn die Spieler nun die Möglichkeit erhalten, unfaire Spieler zu bestrafen, dann tun sie das auch – und zwar unabhängig davon, ob sie mit der Bestrafung für sich einen Vorteil erreichen oder nicht. Fairness, so Akerlof und Shiller, sei eben einer der »Animal Spirits«.
Auch Zuversicht zählen die Autoren zu jenen menschlichen Faktoren, die die Vorstellung des homo oeconomicus über den Haufen werfen: Sind Menschen zuversichtlich, kaufen sie Häuser und investieren in Aktien und erwarten, dass Preise und Kurse stetig nach oben klettern, ob dies nun gerechtfertigt ist oder nicht. Erkennen sie, dass die Preise nichts mehr mit den wahren Werten zu tun haben, beginnt der große Ausverkauf. Der Herdentrieb verstärkt sowohl die Auf- als auch die Abwärtsbewegung. Exakt diesem Thema widmete sich Shiller übrigens schon in seinem 2000 erschienenen Buch Irrational Exuberance, in dem er den kurz darauf erfolgten Börsencrash exakt vorhersagte.

Wozu es führen kann, wenn den »Animal Spirits« freier Lauf gelassen wird, wurde sodann nach dem Platzen der Internetblase sowie gegenwärtig in der Finanzkrise spürbar. Um dem unkontrollierten Auf und Ab entgegenzuwirken, treten Akerlof und Shiller für staatliche Regulierung ein. Denn, so disaströs die Folgen dieser Kräfte auch sein mögen, werden sie durch den Staat gezähmt, setzen sie eine Unmenge unternehmerischer Energie frei, die zu einem gesunden Kapitalismus gebündelt werden könne. Die beiden Verhaltensökonomen treten dafür ein, die ökonomische Theorie umzugestalten und fordern die Idee der freien Marktwirtschaft heraus. Die Vorstellung, dass Märkte völlig frei von staatlicher Intervention operieren sollen, weil sie rational seien, kann ihrer Meinung nach nicht länger aufrechterhalten werden. Da »Animal Spirits« das Verhalten der Menschen beeinflussen, ist für die Autoren ein disziplinierender Staat notwendig.

Man darf die beiden Ökonomen jedoch nicht falsch verstehen: sie sind keineswegs Kapitalismuskritiker und kaum etwas liegt ihnen ferner als das marktwirtschaftliche System über Bord zu werfen. Akerlof und Shiller halten den freien Markt grundsätzlich für die beste Organisationsform, wehren sich aber gegen die vereinfachende Annahme, dass informierte Marktteilnehmer ausschließlich rationale Entscheidungen treffen. Die Wirtschaftswissenschaften könnten einen Riesensprung nach vorne machen und ökonomische Ereignisse besser als bisher verstehen, wenn man anerkennen würde, dass sie psychologisch motiviert sind.

Das Buch gibt wichtige Impulse, wie die Verhaltensökonomik dazu beitragen kann, wirtschaftliche Zusammenhänge besser zu verstehen. Die meisten Ökonomen bleiben heute sprachlos, wenn es darum geht, die Krise zu erklären. Dass Akerloff und Shiller einen Versuch wagen, den Ursachen der Krise auf die Spur zu kommen – allein dafür gebührt dem Buch Anerkennung.