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Friedrich Schneider, Helmut Badekow:
Ein Herz für Schwarzarbeiter. Warum die Schattenwirtschaft unseren Wohlstand steigert

ISBN: 3430200083
Erscheinungsjahr: 2006
Econ

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Die Schweiz des kleinen Mannes
        


 
chwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt! Der Schwarzarbeit muss entschlossen entgegengetreten und der Sumpf trockengelegt werden!« So hört man Politiker aller Lager immer wieder gegen das Phänomen der Schattenwirtschaft wettern. Bemerkenswerte Erfolge im Kampf gegen die Schwarzarbeit bleiben indessen aus. Sollten diese Kampfansagen etwa nichts anderes als Sonntagsreden sein?

Auch Politiker wissen, dass es nur ein äußerst geringer Anteil der Wählerschaft sein dürfte, der die Schwarzarbeit kategorisch ablehnt. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit würde für viele Menschen Einkommen und Wohlstand nicht steigern, sondern – ganz im Gegenteil – eher verringern. Sei es als Anbieter oder als Nachfrager: ein nicht unbeachtlicher Teil der Bevölkerung profitiert von der schwarzen Arbeit und steigert so seinen Wohlstand. So verbreitet ist die schwarze Arbeit nach Feierabend, dass, wer diese zusätzlichen Einnahmen antastet, sich nicht mit einer Randgruppe anlegt, sondern den Kern der Gesellschaft trifft. Vor diesem Hintergrund scheint es einleuchtend, dass die Politik die Schwarzarbeit zwar verteufelt, aber nicht wirklich gegen sie vorgeht. Zumal ein wirksamer Kampf nicht nur die Wähler verstimmen würde, sondern auch sonst keinen Vorteil bringen würde.

Dass Schwarzarbeit unseren Wohlstand steigert, dies ist die Kernthese des Buches von Friedrich Schneider und Helmut Badekow. In Ein Herz für Schwarzarbeiter hinterfragen sie die blinde Verteufelung der Schwarzarbeit. Friedrich Schneider, Professor der Volkswirtschaftslehre, und der Journalist Helmut Badekow wagen einen unkonventionellen Blick auf das Phänomen Schattenwirtschaft, das auch in positivem Licht gesehen werden kann, weil Schwarzarbeit nämlich unser aller Wohlstand steigert, indem sie die Konjunktur ankurbelt. So zeigen Simulationsrechnungen, dass Finanzminister nicht unbedingt »mehr Geld im Staatssäckel haben, wenn gegen die Schattenwirtschaft wirksam vorgegangen wird«.

Wer nicht wie Michael Schumacher oder Boris Becker auswandern oder sein Geld über die Grenzen in Steueroasen verschieben kann, der sucht sich den Weg in die Schwarzarbeit als Schlupfloch vor dem Zugriff des Staates. Schwarzarbeit – »die Schweiz des kleinen Mannes« – unterscheidet sich grundsätzlich von der Steuervermeidung und –hinterziehung gut verdienender Bürger: sie stiftet nämlich zu Hause Nutzen, indem der Schwarzarbeiter hierzulande Werte schafft und damit der Konjunktur dient.

Entgegen der landläufigen Meinung hat ein Rückgang der Schattenwirtschaft nicht automatisch positive Konsequenzen für die Volkswirtschaft, sondern nur dann, wenn ihre Aktivitäten in die reguläre Wirtschaft überwechseln. Im anderen Fall bedeutet ein Rückgang des informellen Sektors eher Fluch als Segen: der Wohlstand würde sinken. Und dieser Fall ist viel wahrscheinlicher als die äquivalente Überführung in die reguläre Wirtschaft. Schneider und Badekow zeigen, dass zwei Drittel der Wirtschaftsleistung aus dem informellen Sektor entfielen, wenn es keinen schwarzen Markt gäbe. Viele, die Schwarzarbeit in Anspruch nehmen, könnten sich die gleiche Leistung auf dem regulären Markt oft gar nicht leisten oder sie wird dort gar nicht angeboten. An welches Unternehmen wende ich mich, wenn es etwa darum geht, Bilder aufzuhängen oder Möbel zu montieren?

Ein Herz für Schwarzarbeiter bricht ein gesellschaftliches Tabu, indem die Verteufelung von Schwarzarbeit in Frage gestellt wird. Nicht nur von Ausmaß, Dynamik, ökonomischen Ursachen dieses Massenphänomens ist in dem Buch die Rede, sondern auch vom gesellschaftlichen Nutzen. Ausgesprochen anschaulich beschreiben die Autoren die Mechanismen der Schattenwirtschaft und fragen: Was sind das für Leute, die Schwarzarbeit leisten? In Fallgeschichten werden sowohl Anbieter als auch Nachfrager vorgestellt. Daraus wird schnell klar: Es gibt eine Vielzahl von Motiven, zum Schwarzarbeiter zu werden, aber immer auch wird offenbar: das Ausmaß der Schattenwirtschaft wird von den politischen Rahmenbedingungen bestimmt. Schwarzarbeit ist ein Reflex auf hohe Steuern und Sozialabgaben, auf unsinnige Berichtspflichten und überlange Genehmigungsverfahren sowie die komplizierten Vorschriften des Arbeitsrechts.

So gesehen handeln Schwarzarbeiter durchaus ökonomisch rational. Ist das Buch also eine Laudatio auf die Schwarzarbeit? Keineswegs. Einerseits ziehen die Autoren eine klare Trennlinie zu Beschäftigungsdelikten der organisierten Kriminalität und betonen, dass es sich bei den modernen Formen der Sklaverei hinter der Fassade der Arbeitnehmerüberlassung, dem Menschenhandel und der Arbeitsausbeutung keinesfalls um Kavaliersdelikte handelt und keine Anzeichen bestehen, dass dieser Bereich staatliche Rücksichtnahme genösse. Zum anderen zeigen die Autoren die Gefahren der Tolerierung und mangelnden Bekämpfung von Schwarzarbeit auf und erklären, warum trotz aller ökonomischer Rationalität Schwarzarbeit bekämpft werden müsse.

Hierbei laufen dann auch die Fäden aller Fallbeispiele zusammen. So verschieden die Motive und Situationen der einzelnen portraitierten Schwarzarbeiter waren, eines haben sie allesamt gemeinsam: sie alle gehören zu den Unzufriedenen, die einen Hinterausgang aus unserem politischen System der überbordenden Lasten suchen, da sie glauben, mit ihrer Stimme bei Wahlen nichts ändern zu können.

Auch die Gefahr eines Domino-Effekts zwingt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit: Der einzelne Bürger ist umso eher zur schwarzen Arbeit bereit, je öfter ihm Menschen begegnen, die Schwarzarbeit ausüben oder in Auftrag geben. Und wer sich erst einmal daran gewöhnt hat, Steuern und Sozialabgaben zu hinterziehen, wird der nicht auch bereit sein, andere gesellschaftliche oder gesetzliche Regeln zu brechen?

Mit ihrer fachlich fundierten Analyse liefern Schneider und Badekow einen leicht lesbaren und mit Humor und Ironie gewürzten Beitrag zur Debatte über die politischen Ziele der Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung. Weil nämlich nicht durch strengere Gesetze und stärkere Überwachung allein die Schwarzarbeit nennenswert eingedämmt werden könne. Nur die Beseitigung der Ursachen könne wirksam Abhilfe schaffen: In einem 7-Punkte-Programm fassen die Autoren die wichtigsten Maßnahmen zusammen – von einer Reform des Steuersystems über die Eindämmung der Regulierungswut bis zur Senkung der Lohnnebenkosten.

Wenn Politiker sich demnächst in ihren Reden wieder dazu aufschwingen, den Sumpf der Schwarzarbeit trockenlegen zu wollen, sollten sie sich bemühen, diese nicht einfach zu bekämpfen, sondern überflüssig zu machen.