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Benoit B. Mandelbrot, Richard L. Hudson:
Fraktale und Finanzen. Märkte zwischen Risiko, Rendite und Ruin

ISBN: 3492046320
Erscheinungsjahr: 2005
Piper

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Meister der Unordnung
        


 
o gewaltig die Chancen und Risiken an der Börse sind, so vielseitig sind die Versuche, die Unwägbarkeiten in den Griff zu bekommen. So verwundert es kaum, dass sich auch die Mathematik mit dem Funktionieren der Finanzmärkte beschäftigt.
Benoit Mandelbrot, der Vater der fraktalen Geometrie, hat diesen Fachbereich der Mathematik zu einem Werkzeug in vielen Disziplinen gemacht. Die Theorie der Fraktale findet immer dort breite Anwendung, wo scheinbar Chaos herrscht. Ein Fraktal ist eine geometrische Figur, die in kleinere Bruchstücke zerlegt werden kann, von denen jedes wieder ein Echo der ganzen Figur darstellt, wie etwa die Röschen eines Blumenkohls oder die Zweige eines Baums. Wo andere Unordnung, Unregelmäßigkeit und somit Unbeherrschbarkeit sehen, entdeckte Mandelbrot oft fraktale Ordnung.

In seinem jüngsten Buch Fraktale und Finanzen. Märkte zwischen Risiko, Rendite und Ruin widmet sich Mandelbrot (Richard Hudson tritt lediglich als Autor der Einleitung hervor) den Bewegungen auf den Finanzmärkten. Mit Hilfe der fraktalen Geometrie lassen sich die wilden Kurssprünge an der Börse und Schwankungen der Rohstoffpreise oder Wechselkurse viel besser nachvollziehen als mit herkömmlichen Modellen. Erratisch wirkende Kursentwicklungen können schon lange nicht mehr mit der Effizienz der Märkte und dem rationalen Handeln des homo oeconomicus erklärt werden.

Wer nun hofft, mit Mandelbrots Buch den Tücken des Finanzmarktes ein Schnippchen schlagen zu können und ein besseres Instrument zur Kapitalanlage in Händen zu halten, muss enttäuscht werden. Mandelbrot entwirft keine alternative Finanzmarkttheorie, er benennt die Schwachstellen der Theorien, wie der Normalverteilungsannahme oder der Nutzenfunktionen. Jedoch setzt sich der Autor erfrischend kritisch mit diesem allseits anerkannten, unbestrittenen Wissen auseinander. Richard Hudson drückt die Zielrichtung des Buchs in seiner Einleitung so aus, dass die Lektüre den Anleger klüger mache und ihn so vielleicht davor bewahre, ärmer zu werden.

Gewöhnlich wird unterstellt, dass Finanzmärkte den Gesetzen der Normalverteilung unterliegen. Zwar gibt es auch extreme Kursbewegungen, wie dies die Ereignisse des schwarzen Montags von 1987, der Asienkrise oder des Platzens der New-Economy-Blase belegen, aber auf lange Sicht stelle sich auf den Finanzmärkten ein statistisches Wohlverhalten ein – so wie wir beim Werfen einer Münze erwarten, dass sich die Anzahl der Kopf- und Zahlwürfe die Waage hält.

Das Fundament der Theorie der Finanzmärkte hält Mandelbrot für fragiler als gemeinhin angenommen. Hier setzt dann auch seine Kritik an: Die Märkte seien turbulent und ihre Aufwärts- und Abwärtsbewegungen ließen sich nicht erklären mit der herkömmlichen Vorstellung, dass Ereignisse normal verteilt sind. Die besonderen Kursausschläge, die Ausreißer werden mit den herkömmlichen Methoden nicht erklärt; gerade diese sind es aber, die die Börse besonders interessieren. Als Konsequenz sieht Mandelbrot, dass die Märkte wesentlich riskanter sind, als die Vertreter der herkömmlichen Theorie dies beschreiben.
Statistisch gesehen dürfte sich etwa eine Indexänderung von sieben Prozent nur einmal alle 300.000 Jahre ereignen, tatsächlich gab es aber allein im 20. Jahrhundert 48 solcher Tage beim Dow Jones Index.

Insbesondere die Vielzahl der Diagramme und Fraktal-Grafiken, die Mandelbrots auf der fraktalen Geometrie fußendes Modell unterstützen, machen die mathematisch fundierten Ausführungen auch für den interessierten Laien verständlich. Wie überhaupt insgesamt der Stoff des Buchs viel spannender ist als anfänglich vermutet werden könnte – wie interessant kann schon ein Buch über Finanzmarkttheorie und fraktale Geometrie sein? Nein, ganz im Gegenteil: anschaulich, unterhaltsam und leicht verständlich ist die Beschreibung des Modells, mit dem die Autoren mit der Illusion aufräumen, die Welt der Finanzen sei beherrschbar.