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Unternehmensführung in der Networking-Ära
Das Social Web und das mobile Internet haben nicht nur das Kaufen und Verkaufen, sondern auch die Arbeitswelt unübersehbar verändert. Die »Digital Natives«, die derzeit ans Ruder kommen, prägen nicht nur eine humanisierte Unternehmenskultur, sie schaffen auch die Rahmenbedingungen für einen kollaborativen Managementstil. Unternehmensführung muss neu gedacht werden!

        


 
ein Zweifel: Der Arbeitsmarkt hat sich in vielen Branchen von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt gewandelt. Das heißt: Die Macht ist zur Arbeitnehmerseite gewechselt – zumindest, soweit es um qualifizierte Talente geht. Gerade die Young Professionals und High Performers der Zukunft, die jedes Unternehmen so händeringend sucht, sind dabei, einen Paradigmenwechsel in Wirtschaft und Gesellschaft einzuläuten.

Bei der Jobsuche ist ihnen der Blick auf die Unternehmenskultur als Auswahlkriterium mindestens genauso wichtig wie potenzielle Karrierechancen. Sie sind Vorreiter für ganz neue Formen des Arbeitslebens, wie wir gleich sehen werden. Und mehr noch: Sie fordern Balance zwischen Beruf, Umwelt und ihrem persönlichem Lebensstil ein.

Unübersehbar ist auch: Auf der großen Bühne Internet sind Unternehmen hüllenlos nackt. Ihr Innenleben wird schonungslos bloßgestellt. Und von frustriertem Personal wird ganz schön viel »schmutzige Wäsche gewaschen«. Die Pflege der Arbeitgebermarke (Employer Branding) nimmt in diesem Szenario eine eklatant wichtige Stellung ein. Wer dabei mit seinen Mitarbeitern gut umzugehen weiß, braucht sich allerdings keine Sorgen zu machen.

Die Arbeitswelt der Network-Generation
Die digital geprägten Social Media Kids sind dabei, eine neue Tätigkeitskultur zu entwickeln: werteorientiert, kollektiv vernetzt und immer ein wenig verspielt. Was für sie außerdem wichtig ist? Autonomie, Gestaltungsraum und Selbstorganisation. Autoritäten kraft Amtes und traditionellen Befehlsketten verweigern sie sich. Der Chef als Ansager? Für sie ein Auslaufmodell. Sie stehen für Gleichrangigkeit, für Miteinander und Teilen.

Der versierte Umgang mit Online-Medien ist ihr wichtigstes Kapital. Und nicht der Würdenträger per se, sondern der, der den wertvollsten Content liefert, wird von ihnen am meisten geschätzt – und findet sich im Zentrum ihrer Netzwerke wieder. »Wer im Web 2.0 neue Formen der Kooperation und der Dezentralisierung von Macht erlebt, will sich nicht in betonierten Hierarchien einengen lassen«, resümiert der Zukunftsforscher Andreas Haderlein.

Als digitale Wanderarbeiter werden sich Digital Natives nur bei denen verdingen, die ihnen ein passendes Umfeld bieten. »Wenn sie zwei oder mehr Job-Angebote haben, entscheiden sie sich für dasjenige mit dem Sinn-Plus«, schreibt Axel Gloger im Trendletter. Und während die Loyalität der Analog Seniors ihrer Firma gehörte, gehört die Loyalität der Digital Natives ihrem Netzwerk. Unternehmen, die ihnen verbieten, ihre Netzwerk-Loyalität zu leben, kommen für sie nicht in Betracht.

New Work: Das Arbeitsleben im Wandel
Die Arbeitsbeziehungen als solche sind bereits seit geraumer Zeit globaler, digitaler und zudem auch weiblicher geworden – und all das auf hohem Niveau. Sie sind von einer neuen »Buntheit« gekennzeichnet, kleinteiliger und vielschichtiger angelegt sowie stärker nach außen vernetzt. Ferner haben sich die Arbeitsinhalte verschoben: Die neuen Berufe haben viel mit Denken, Designen, Innovieren, Managen und Verhandeln zu tun. Sie verlangen deshalb ein kreatives Umfeld wie auch Empathie, Intuition und Menschenversteher-Wissen.

Die an einen fixen Ort und eine fixe Zeit gebundene Arbeit schwindet. Mobile Kommunikationstechnologien machen das Arbeiten überall und jederzeit möglich. Freizeit und Arbeit rücken so näher zusammen. »Von 8 bis 17 Uhr« war gestern. Heute heißt's: Always on. Und alles sofort. »Downtime«, also Phasen der Entspannung, finden nicht mehr am Abend und an Wochenenden statt, sondern immer dann, wenn es gerade passt. Doch wenn die Mitarbeiter den Unternehmen Privatzeit schenken, dann müssen die Unternehmen ihren Leuten auch Eigenzeit während der Arbeit schenken.

Sogenannte Feelgood-Manager werden sich künftig um das Wohlergehen der Mitarbeitenden kümmern, für eine »lachende« Unternehmenskultur sorgen und Burnout vermeiden helfen. All dies wird auch Bürolandschaften optisch und funktional verändern. Sie werden zu fröhlichen Lebens- statt trister Arbeitswelten. Selbständige und Freiberufler werden sich in Co-Working-Büros vernetzen, wo sich Kreativität und Expertise mit Flexibilität und Professionalität paaren. Und sie werden sich gegenseitig als Projektspezialisten vermarkten.

Kollaboration ist im Kommen
Neben einer Kernbelegschaft in herkömmlichen Arbeitsverhältnissen gibt es bereits zunehmend eine kollaborative Zusammenarbeit ohne klassischen Arbeitsvertrag: in Projekten, mit Freelancern, mit Zeitarbeitsfirmen, mit Interim Managern. Es gibt mehr befristete Arbeitsverträge, höhere Teilzeitquoten, mehr qualifizierte Heimarbeit, mehr outgesourcte Bereiche und immer mehr mitarbeitende Spezialisten, Zulieferer, Geschäftspartner und Kunden.

So werden Unternehmen zunehmend zu »Hubs« (Naben) im Zentrum ihres eigenen Netzwerks und von »Kollaborateur-Satelliten« umkreist. Deshalb habe ich mich bei der Namensgebung für das Instrument, um das es in diesem Beitrag gleich geht, für den Begriff Collaborator Touchpoint Management entschieden, weil das diese neuen Formen der Zusammenarbeit integriert. Was hierbei unumgänglich ist: Künftig wird es in Unternehmen nicht mehr darum gehen, einige wenige High Potentials mit viel Aufwand zu fördern, nein, alle Kollaborateure müssen auf Spitzenniveau gebracht werden, damit jeder auf seine Weise die Kunden betört.

Mit dem Collaborator Touchpoint Management (Mitarbeiterkontaktpunkt-Management) haben nun endlich alle Führungskräfte die Möglichkeit, miteinander – statt im Wettbewerb gegeneinander – und bereichsübergreifend für ihre Mitarbeiter und ihre Kunden das Beste zu tun. Angesichts der neuen Formen von Arbeit, der immer stärker zuströmenden Digital Natives, der versocialisierten Businesswelt und der machtvollen Kunden wird diese neue Form von Führen in einer sich vernetzenden Unternehmensorganisation zukünftig wohl unumgänglich sein.

Das Collaborator Touchpoint Management
Unter Collaborator Touchpoint Management verstehe ich die Koordination aller Berührungspunkte zwischen Führungskraft und Mitarbeitern zu dem Zweck, die Kontaktqualität zu verbessern sowie inspirierende Arbeitsplatz-Bedingungen und ansprechende Leistungsmöglichkeiten in unserer neuen Arbeitswelt zu schaffen. Dabei kann jede Interaktion als Chance genutzt werden, die Exzellenz der Mitarbeitenden zu erhöhen, ihre emotionale Verbundenheit zum Unternehmen zu stärken, ihr Loyalitätspotenzial zu heben und positive Mitarbeiter-Mundpropaganda nach innen und außen auszulösen.

An jedem Touchpoint können positive wie auch negative Erlebnisse passieren, die eine Mitarbeiterbeziehung stärken oder zermürben beziehungsweise das Engagement kräftigen oder bröckeln lassen. Deshalb ist unter anderem auch das unterschiedliche männliche und weibliche Mitarbeiterverhalten zu beleuchten, um die jeweils individuellen Arbeitsmotive ermitteln und die spezifischen Talente besser fördern zu können. Hierdurch sollen zwischenmenschliche wie auch organisatorische Motivationshemmer erkannt und weggeräumt werden, so dass sich alle Beschäftigten auf einem hohen Niveau voll entfalten können.

Ziel des insgesamt vierstufigen Prozesses ist das stete Optimieren der Performance an allen Interaktionspunkten. Die intensive Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Touchpoint erhöht nicht nur das Mitarbeiterengagement und den Output, es legt auch interne Effizienzreserven frei, führt zu Zeit- und Kosteneinsparungen und damit zu einer Ressourcenoptimierung und letztlich zu höheren Erträgen.

Schritt 1: die Analyse
Im Collaborator Touchpoint Management werden zunächst alle Interaktionspunkte gesichtet, die ein Mitarbeitender im Rahmen der Zusammenarbeit mit einer Führungskraft hat oder haben könnte – und zwar aus dem Blickwinkel des Mitarbeiters betrachtet. Dabei gibt es zwei Arten:

:: direkte Kontaktpunkte (Mitarbeitergespräch, Gruß auf dem Flur, Meeting usw.)
:: indirekte Kontaktpunkte (E-Mail, schriftliche Anweisung, Arbeitszeugnis usw.)

Sind diese detailliert aufgelistet, dann werden die Erlebnisse, die ein Mitarbeiter dort hat oder haben könnte, erarbeitet und den Kategorien »enttäuschend«, »OK«, »begeisternd« zugeordnet. Dabei geht es sowohl um die kritischen Ereignisse als auch um die positiven Geschehnisse, die ihm dort widerfahren – oder im schlimmsten Fall widerfahren könnten. Hilfreiche Fragen dabei:

:: Was läuft prima? Wann stellt sich ein Moment großer Freude ein?
:: Wo gibt es heikle Situationen?
:: Was erwartet ein Mitarbeiter an diesem Touchpoint? Und was nicht?
:: Was könnte die Arbeitsleistung verbessern?
:: Was könnte die Motivation intensivieren?
:: Wo lauern Abwanderungsrisiken?
:: Welcher (akute) Handlungsbedarf ergibt sich aus Sicht der Mitarbeiter?
:: Und was hat uns bislang daran gehindert, das Notwendige zu tun?

Auch wenn unangenehm, über die letzte Frage muss unbedingt gesprochen werden. Denn erst, wenn die wahren Ursachen für Handlungsblockaden offen liegen, lässt sich etwas dagegen tun. Damit in der Folge das Ausmerzen der Minderleistungen gezielt in Angriff genommen und als Herausforderung gesehen werden kann, macht es Sinn, diesem Prozess klingende Namen zu geben. Heike Bruch vom Lehrstuhl für Führung und Personalmanagement der Uni St. Gallen schlägt folgende vor: »Den Drachen besiegen« oder »Die Prinzessin vom Eis holen«.

Übrigens können die Mitarbeiter durch entsprechende Fragen aktiv in diese Analysephase mit eingebunden werden. Meine Lieblingsfrage in diesem Zusammenhang ist übrigens die »Gewissensfrage«, und die geht so: »Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?«

Schritt 2: die Soll-Strategie
Im zweiten Teilschritt geht es um das Definieren der angestrebten Ziel-Situation und das Sondieren passender Vorgehensweisen an den Interaktionspunkten, die man für die anvisierten Mitarbeitergruppen optimieren will. Folgende Fragen lassen sich beispielhaft stellen:

:: Wie können wir über alle Leistungsbereiche hinweg ein gemeinsames Führungsverständnis für die wichtigsten Mitarbeiter-Touchpoints entwickeln?
:: Wie können wir veraltetes Führungsvorgehen schnellstmöglich auf einen zukunftsfähigen Stand bringen?
:: Wie können wir sämtliche Recruiting-Touchpoints an die Erfordernisse der Digital Natives anpassen?
:: Wie können wir uns von veralteten Strukturen, Standards und Prozessen lösen und Netzwerkstrukturen in unserem Unternehmen schaffen?
:: Wie können wir die Treue unserer Mitarbeiter fördern, ihre Bleibelust erhöhen und uns vor kostspieliger Mitarbeiterfluktuation schützen?
:: Wie können wir unsere Mitarbeiter zu aktiven positiven Botschaftern der Firma machen, und welche Touchpoints eignen sich besonders dazu?
:: Wie können wir das weibliche Potenzial in unserem Unternehmen an den einzelnen Touchpoints (noch) besser entfalten?
:: Wie können wir unsere Mitarbeiter in operative wie auch strategische Entscheidungen zeitsparend und effizient miteinbeziehen?
:: Wie lässt sich der Ideenreichtum unserer Mitarbeiter weiterentwickeln, für passende Touchpoints nutzbar machen und adäquat speichern?
:: Wie können wir an den einzelnen Kontaktpunkten mit nichtmonetären Begeisterungsfaktoren arbeiten, um das Wollen zu fördern?
:: Wie können wir eine auf Dauer ausgerichtete Kundenfokussierung auf Web-2.0⁄3.0-Niveau bereichsübergreifend erreichen?
:: Wie können wir mit dem Aufbau eines Touchpoint Managements in unserem Unternehmen zügig beginnen?
:: Wie können wir schließlich die Summe der Touchpoints so optimieren, dass wir bei Arbeitgeber-Wettbewerben vordere Plätze belegen?

Auf Basis dieser und weiterer relevanter Fragen werden nun die spezifischen Mitarbeiter-Touchpoint-Ziele definiert. Hierbei geht es sowohl um die Dos als auch um die Don'ts, also darum, was erwünscht und was unerwünscht ist.

Schritt 3: die operative Umsetzung
In diesem Schritt geht es um die Planung und Umsetzung passender Maßnahmen, die von der analysierten Ist-Situation zur gewünschten Soll-Situation führen. Folgende Fragen sind dabei zu bearbeiten:

:: Wer macht was ab⁄bis wann mit welchem Budget?
:: Welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden?
:: Welche Zeitlinien sind dabei sinnvoll und machbar?
:: Wie lassen sich die erzielten Ergebnisse messen?

Dies kann im kleinen Kreis oder auch im Rahmen von Großgruppen-Events gemeinsam geplant und anschließend umgesetzt werden. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Wählen Sie ein Thema, das sowieso schon allen auf den Nägeln brennt. Oder fangen Sie mit wenigen wichtigen Touchpoints an. Oder wählen Sie einen »Quick win« zum Start, also eine Maßnahme, die schnelle Resultate verspricht. Folgeeffekte stellen sich oft wie von selber ein.

Schritt 4: Monitoring und Optimierung
In diesem Schritt geht es um das Ermitteln der Ergebnisse an den einzelnen Mitarbeiter-Touchpoints zwecks Optimierung der Führungsarbeit. Folgende Fragen lassen sich stellen:

:: An welchen Kriterien wollen wir unsere verbesserte Touchpoint-Performance messen?
:: Welche Kennzahlen wollen wir dazu auf welche Weise wie oft und für wen erheben?
:: Wie wird das gewonnene Wissen dokumentiert und gemeinsam besprochen?
:: Welche Monitoring-Tools sind sinnvoll und können unkompliziert eingesetzt werden?
:: Wer leitet wann und wie die fortlaufend notwendigen Prozessverbesserungen ein?

Vor allem langfristig sollten Touchpoint-Maßnahmen positive Auswirkungen auf die mitarbeiterbezogenen Kennzahlen eines Unternehmens haben, wie zum Beispiel die durchschnittliche Verweildauer, die Fluktuationsrate, die Kranktage, die Burnout-Rate und die Mitarbeiterproduktivität.

Und kurzfristig? Da stellen Sie den Mitarbeitern – am besten schriftlich – folgende Fragen:

:: Auf einer Skala von 0 bis 10: Würden Sie sich heute wieder für dieses Unternehmen entscheiden? Und wenn ja, aus welchen Hauptgründen? Und wenn nein, weshalb nicht?
:: Auf dieser Skala von 0 bis 10: Würden Sie unser Unternehmen an einen interessierten Arbeitssuchenden weiterempfehlen? Und wenn ja, aus welchen Hauptgründen? Und wenn nein, weshalb nicht?

Schon allein die Antworten auf diese beiden Fragen beinhalten meist jede Menge Ansatzpunkte, um weitere Verbesserungen in Angriff zu nehmen. Die aus den Skalen-Ergebnissen abgeleiteten Kennzahlen zählen zu den wichtigsten Leistungsindikatoren im Mitarbeiterbereich.

Fazit
Mit dem Collaborator Touchpoint Management erhalten Führungskräfte ein praxisnahes, schnelles und einfaches Navigationssystem, mit dessen Hilfe die sich verändernden Arbeitsbeziehungen beherrschbar werden. Vier Prozessschritte führen dabei zum Ziel. Durch eine kontinuierliche Arbeit an den Touchpoints werden sich alle Unternehmensbereiche stärker miteinander vernetzen. Mit der Präzision eines Laserstrahls wird gemeinsam gesucht und gefunden, was beim Mitarbeiter Bleibefreude und eine hohe Leistungsbereitschaft weckt.

Denn nur, wer die Besten anzulocken versteht und nur, wer für alle Kollaborateure die Touchpoints mitarbeiterfreundlich gestaltet, wird am Ende wirklich Großes bewirken. Und die Kunden werden es Ihnen danken: mit Immer-wieder-Kaufen, mit engagierter Mundpropaganda und jeder Menge Weiterempfehlungen. So können Unternehmen die Zukunft ganz sicher erreichen.  

Mehr über Collaborator Touchpoint Management erfahren Sie in Anne M. Schüllers Buch Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt.
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