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Zukunftsarbeit im Mittelstand: Den Blick über den Tellerrand wagen!
Seit die Unternehmensumwelt ständig komplexer und dynamischer wird, stehen Unternehmen unter verstärktem Veränderungsdruck. Dabei wird Zukunftswissen zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Während Großkonzerne umfangreiche Foresight-Aktivitäten betreiben, sind solche Bemühungen, sich Orientierung zu verschaffen, bei kleinen und mittleren Unternehmen unterentwickelt. Welche Ansätze systematischer Zukunftsarbeit gibt es im Mittelstand und wie können diese verbessert werden?

        


 
nsere Zeit ist charakterisiert durch Beschleunigung: Wissenschaft und Technik bringen in immer schnellerem Tempo Neuerungen hervor. Schnelle, leistungsfähige und immer kostengünstigere Information und Kommunikation treiben die Vernetzung der Märkte voran. Unternehmen sehen sich verschärftem Wettbewerb und gesteigertem Produktivitätsdruck gegenüber. Durch die gewachsenen Herausforderungen für Unternehmen in einer dynamischen Weltwirtschaft wächst der Bedarf für eine vorausschauende Unternehmensplanung kontinuierlich. Es gilt, die Veränderungsprozesse zu erkennen sowie den Wandel mit zu gestalten.

Corporate Foresight – die systematische Auseinandersetzung mit Zukunft – hilft Unternehmen, Umfeldveränderungen im Auge zu behalten, neue Märkte und veränderte Bedarfe wahrzunehmen, neue Technologien und Innovationsfelder zu erkennen und dieses Wissen über die Zukunft in unternehmerisches Handeln zu übersetzen. Der Blick in die Zukunft soll einerseits Entscheidungen der Gegenwart verbessern und andererseits Orientierungswissen über sich wandelnde Unternehmenskontexte liefern.

Seit Mitte der 1990er Jahre tragen vor allem Großunternehmen diesen neuen Anforderungen an die Unternehmensplanung Rechnung und bauen eigene Kapazitäten im Bereich der Zukunftsarbeit auf: teilweise vollbringen Abteilungen als Querschnittfunktion diese Aufgabe, zum Teil wird Zukunftsarbeit als integrierte Funktion in einer Unternehmensabteilung oder aber als temporäre Aufgabe im Rahmen von Einzelprojekten geleistet. Dabei kommen erprobte Methoden wie Szenarientechnik, Expertenbefragung und Delphi-Verfahren zum Einsatz.

Für mittelständische Unternehmen ist Corporate Foresight nicht minder bedeutend. Auch sie agieren in einem Umfeld, das durch Internationalisierung und sich verkürzende Innovationszyklen geprägt ist. Systematisches Zukunftswissen zu generieren fällt kleineren Unternehmen allerdings oft schwerer, da sie häufiger mit Ressourcenengpässen und einer generell geringeren Personalausstattung zu kämpfen haben.

Die Z_punkt GmbH hat nun im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untersucht, wie Mittelständler systematisch Zukunftsarbeit betreiben und welchen Bedarf an strategischer Vorausschau sie haben. Die empirische Erhebung zeigte, dass Mittelstandsunternehmen in Deutschland unter Veränderungsdruck stehen und zeichnet ein Bild davon, wie kleine und mittlere Unternehmen derzeit den gesellschaftlichen, technologischen und ökonomischen Veränderungen begegnen und wie sie bei ihrer Zukunftsplanung vorgehen. Unter den über 100 von Z_punkt befragten Mittelständlern herrscht aufgrund von erwarteten Umbrüchen in den nächsten drei bis fünf Jahren ein insgesamt hoher Foresight-Bedarf, der allerdings je nach Unternehmensgröße und Branche variiert.

Produzierende Unternehmen benötigen Orientierungs- und Entscheidungswissen, weil sie international expandieren und innovieren und es dabei mit langen Entwicklungszeiten zu tun haben. Der Foresight-Bedarf in den Dienstleistungssegmenten wird stärker durch eine hohe Dynamik und Komplexität des Marktes und Umfeldes bestimmt. Die Innovationsaktivitäten sind zwar auch in diesen Segmenten umfangreich, benötigen wegen kürzerer Entwicklungszeiten aber eines geringeren Vorlaufs. Zudem bekunden größere Unternehmen höheren Foresight-Bedarf, da diese mit größeren Expansionsvorhaben korreliert. Kleine KMU sind zudem weniger von Markt- und Umfelddynamik und -komplexität betroffen.

Wie Mittelständler in die Zukunft blicken
Bei der Analyse ihres Umfeldes wagen wenige Mittelständler den Blick über den Tellerrand. Die Mehrheit von 59 Prozent fokussiert hauptsächlich technologische Entwicklungen und 58 Prozent wirtschaftliche Veränderungen, nur 38 Prozent beobachten gesellschaftliche Veränderungen. Auch bei der Marktbeobachtung schränken viele Mittelständler ihr Blickfeld zu stark ein: Der Blick über die Grenzen der eigenen Branche hinaus wird von vielen mittelständischen Unternehmen unterschätzt, jedoch sind viele Veränderungen von Neuanbietern und Substitutionsprodukten verursacht. Es zeigt sich, dass der »Blick über den Tellerrand« ein Weg zu höherer Innovationskraft ist: innovative Unternehmen wagen den Blick über Branchengrenzen hinweg deutlich regelmäßiger als weniger innovative.

Zudem fördert die Umfrage zutage, dass die meisten befragten Unternehmen zwar fleißig eine große Menge marktnaher Informationen aus einer Vielzahl von Quellen sammeln, die Übersetzung in ein Zukunftsbild, an dem man sein Handeln orientieren kann dann aber zu kurz kommt. Die meisten Mittelständler verwenden einfache Analysemethoden, wie Publikationsanalyse (40 Prozent), Brainstorming (38 Prozent) oder Technologie- und Trendanalysen (23 Prozent), um jedoch mit Hilfe der gesammelten Informationen Aussagen über die Zukunft treffen zu können und Handlungsstrategien abzuleiten, sind komplexere Projektionsmethoden vonnöten. Nur 15 Prozent der Unternehmen setzen regelmäßig Instrumente wie Roadmapping ein, lediglich 13 Prozent verwenden regelmäßig Simulationen und 10 Prozent nutzen die Szenarientechnik kontinuierlich.

Zukunftsarbeit ist bei den meisten Mittelständlern Chefsache. Der systematische Blick in die Zukunft ist bei den befragten Unternehmen weniger in spezifischen Abteilungen zu Hause, sondern liegt in den Händen einzelner Personen; bei 77 Prozent der Umfrageteilnehmer kümmern sich Geschäftsführung und Vorstand persönlich um strategische Zukunftsfragen. Je nach Fragestellung werden auch Abteilungen wie Marketing, Vertrieb oder die Innovationsbeauftragten eingebunden. Die gesammelten Informationen werden von 86 Prozent der befragten Mittelstandsunternehmen in Strategieprozessen verwendet, 69 Prozent nutzen sie zur Identifikation von Innovationsfeldern. Seltener werden Foresight-Maßnahmen zur Unterstützung von Frühwarnung (51 Prozent) oder Risikomanagement (56 Prozent) betrieben.

Mehr Innovationskraft durch Zukunftsarbeit
Die Ergebnisse der Umfrage sind ein klares Plädoyer für Zukunftsarbeit: Sie zeigen einen Zusammenhang zwischen Innovationsgrad und Foresight-Aktivitäten: Je intensiver und systematischer Mittelständler strategische Vorausschau betreiben, desto eher entwickeln sie radikal neue Produkte und Geschäftsmodelle, statt Herkömmliches nur inkrementell zu verbessern. Wie aber können Mittelständler ihre Innovationsarbeit verbessern? Unternehmen, die durch ihre Zukunftsarbeit erfolgreich ihre Innovationskraft stärken, haben folgende Erfolgsrezepte:

:: Klare Verantwortlichkeiten festlegen: Die Verantwortlichkeiten für die Sammlung und Auswertung zukunftsrelevanter Informationen sollte klar geregelt sein. Kleinere Mittelständler gehen dabei oftmals so vor, dass zwar die Informationssammlung in breiter Verantwortung liegt, das Wissen dann jedoch in Gremien oder in allen Mitarbeitern zugänglichen Informationssystemen gebündelt wird. Bei den größeren Mittelständlern liegt die Foresight-Verantwortung hingegen bei eigens dafür eingerichteten Abteilungen. Auf diese Weise kann ein koordinierter Strategiebildungsprozess angestoßen werden.

:: Den Blick über den Tellerrand wagen: Erfolgreiche Mittelständler suchen nicht nur im eigenen Markt, sondern auch in fremden Branchen nach neuen Entwicklungen. Themen und Trends, die scheinbar nur wenig mit dem Kern des eigenen Geschäfts zu tun haben, können auf diese Weise zu bahnbrechenden Produktideen führen.

:: Dauerhafte Entwicklungen statt kurzfristige Moden fokussieren: Die Auswahl der Beobachtungsfelder und Informationsquellen ist entscheidend für die Qualität der Zukunftsarbeit: dabei gilt es, dauerhafte Trends und nicht kurzfristige Moden herauszufiltern.

:: Ein klares Zukunftsbild entwickeln: Nach der systematischen Auswahl von Beobachtungsfeldern und Informationsquellen sollten Mittelständler mit Hilfe geeigneter Projektionsmethoden klare Zukunftsbilder entwickeln, um das Handeln entsprechend an neue Entwicklungen anpassen zu können. Dabei wird der großen Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen Rechnung getragen, indem alternative Zukünfte definiert werden. Solche Szenarien basieren auf alternativen Entwicklungsrichtungen von Schlüsselfaktoren, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten quantifiziert werden.

:: Handlungsfähigkeit trotz Zukunftsunsicherheit bewahren: Um angesichts der Unsicherheit der zukünftigen Entwicklungen handlungsfähig zu bleiben, muss die richtige Balance zwischen Auseinandersetzung mit Unsicherheit und Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit gefunden werden. Erfolgreiche Mittelständler richten ihre Strategie an jenem Szenario mit der größten Eintrittswahrscheinlichkeit aus und überprüfen die Annahmen dieses Basisszenarios kontinuierlich.  

 

:: Dieser Artikel basiert auf der Untersuchung Corporate Foresight im Mittelstand, 2008, der Z_punkt GmbH.