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Abschied vom Budget: Wertmanagement mit dem operativen Index
Budgets sind nutzlos für die Leistungsmessung. In der wertorientierten Führung ist das schon lange erkannt. Nicht die Budgeterreichung ist oberstes Ziel im Wertmanagement, sondern die Wertsteigerung. Wie aber lässt sich dies zuverlässig beurteilen? Marktorientiertes Wertmanagement bedeutet: Unternehmen mit Hilfe eines Kapitalmarktvergleichs führen.

        


 
udgets sind für die betriebliche Planung durchaus nützlich und wichtig. Insbesondere bei kleinen Unternehmen sind sie sogar unverzichtbar. Doch bei größeren Unternehmen oder gar für die Beurteilung der unternehmerischen Leistung sind sie eher schädlich. Dennoch werden sie genau hierfür gerne herangezogen.

Budgets sind aus folgenden Gründen für die Performancemessung vollkommen ungeeignet:

:: Budgets führen zu Mittelmäßigkeit: Wenn Geschäftsbereiche oder einzelne Manager die Budgetplanung übertreffen, gibt die Logik des Budgetierungsprozesses ein eindeutiges Signal: Das Budget war offenbar zu niedrig angesetzt. Die Konsequenz: Die Ziele des folgenden Jahres werden nach oben hin angeglichen. Allerdings reagieren die meisten Manager hierauf mit einer Gegenbewegung: Wenn sie für besonders gute Leistungen sozusagen »bestraft« werden, tun sie einiges, um möglichst genau im Budget zu bleiben. Denn wenn sie das Budgetziel gerade erreichen, werden für das Folgejahr niedrigere Ziele ausgehandelt als wenn sie dieses markant übertreffen würden. Die Tendenz zur Mittelmäßigkeit ist unübersehbar. Wichtig hierbei ist: Nicht die Manager, sondern das System der Budgetierung ist Schuld daran, dass die Leistungen des Unternehmens in einer Sackgasse landen.

:: Budgets kosten Zeit und Geld: Endlose Budgetdiskussionen jedes Jahr verbrauchen die Zeit aller beteiligten Manager – und kosten das Unternehmen damit bares Geld. Dabei werden nicht nur Controller und Finanzplaner beschäftigt. Der Budgetprozess bindet Ressourcen des Top Managements und beschäftigt manchmal sogar den Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat. Weil es am Schluss primär um eine Zielvereinbarung geht, dreht sich dieser Prozess selten um die Planung von Ressourcen, sondern meist um die Verhandlung von späteren Incentive-Zahlungen. Wird die Zielvereinbarung und Incentivierung vom Budgetprozess getrennt, dann kann dieser viel schlanker ausgestaltet werden; oft steigen die Unternehmen einfach auf eine rollende Planung um, die primär für die Prognose verwendet wird.

:: Budgets sind nicht objektiv: Schließlich werden sie zumeist aus einem reinen Bauchgefühl heraus festgelegt. Vorgaben wie »Heutiger Status plus zehn Prozent« orientieren sich weder an der Entwicklung der gesamten Branche noch an den tatsächlichen Leistungsreserven des Unternehmens. Eine bestimmte Leistungssteigerung kann aber für ein Unternehmen viel einfacher sein als für ein anderes. Auch kann es in einem guten Jahr viel einfacher sein, die Leistungssteigerung zu erbringen als in einem schlechten. Werden diese Informationen ausgeblendet, dann resultiert eine Vorgabe, die erstens wenig mit der Realität zu tun hat und zweitens im anschließenden Beurteilungsprozess einfach kritisiert werden kann.

»Beyond Budgeting« ist inzwischen eine weit verbreitete Bewegung, weil immer mehr Unternehmen sich vom Kosten- und Leistungskiller Budgetierung verabschieden wollen. Es lohnt sich: Professoren der kalifornischen Universität Oakland haben 1999 nachgewiesen, dass Unternehmen im Durchschnitt ihren Marktwert um ein Drittel erhöhen, wenn sie auf Budgets verzichten und stattdessen auf Wertmanagement umsteigen. Das Resultat war statistisch signifikant: 71 Unternehmen haben über drei Jahre durchschnittlich fast 30 Prozent mehr Rendite erzielt als ihre entsprechenden Vergleichsunternehmen.

Der Kapitalmarkt liefert objektive Leistungsziele
Das Ziel ist klar: Es gilt, objektive Performanceziele für das Unternehmen aufzustellen und eine Möglichkeit zu finden, die Leistung zu bewerten. Hierbei ergibt sich ein Problem: Wenn das Budget wegen seiner Defizite nicht als Vergleichsmaßstab für eine Soll⁄Ist-Untersuchung taugt, wo ließe sich ein geeigneter Vergleichsmaßstab finden? Die Lösung: am Kapitalmarkt. Das Instrument hierzu nennt sich »Finance Intelligence«. Dabei handelt es sich um die Auswertung von Daten und Informationen des Kapitalmarkts, mit dem Ziel, diese zur finanziellen Führung des Unternehmens nutzbar zu machen. Oder anders ausgedrückt: Statt des Budgets geben fortan die relevanten Wettbewerber die Leistung vor.

Um einen Vergleich zu starten, müssen die so genannten Peer-Unternehmen zunächst ermittelt werden. Das ist grundsätzlich für jedes Unternehmen möglich. Peers sind mit anderen Unternehmen aus der Sicht der Investoren vergleichbar, weil sie ein ähnliches Geschäftsmodell aufweisen und damit ähnlichen Zyklen und Branchentrends unterworfen sind. Sie sind in derselben Industrie, in derselben Branche oder in ähnlich gelagerten Geschäftsbereichen tätig. Je mehr Peer-Unternehmen identifiziert werden können, desto besser: Für statistische Vergleiche steigt mit der Anzahl der Vergleichswerte die Aussagekraft des Ergebnisses. 60 bis 80 Peers sind optimal, es können aber durchaus auch mehrere Hundert sein.

Jedes Unternehmen hat Vergleichsunternehmen
Allerdings ist es nicht ganz einfach, ein auf das eigene Unternehmen zugeschnittene Peer-Universum aufzustellen, schließlich werden die entsprechenden Daten nicht in fertig geschnürten »Paketen« angeboten. Spezialisten der Finance Intelligence zapfen deshalb professionelle Datenprovider wie Thomson Financials, Reuters oder Bloomberg an, um sich die notwendigen Finanzkennzahlen und Unternehmensinformationen über die Konkurrenz zu besorgen.

Bei Thomson Financials sind zum Beispiel über 70 000 Unternehmen erfasst und es kommen nächstes Jahr nochmals rund 300 000 private Unternehmen hinzu. Mit Hilfe von Branchencodes können danach unterschiedlich fein differenzierte Peer-Gruppen, die man beispielsweise nach Größe oder Region untergliedert, zusammengestellt werden. Wichtig dabei: Sie müssen ein ähnliches Geschäftsmodell wie das eigene Unternehmen haben.

In einem nächsten Schritt werden die Werttreiber des eigenen Unternehmens mit denen der Peer-Unternehmen verglichen. Werttreiber sind Kennzahlen aus Erfolgsrechung und Bilanz, welche den Marktwert des Unternehmens stark beeinflussen. Sie lassen sich in die Gruppen Wachstum, Margen und Kapitaleffizienz einteilen. Wenn beispielsweise ein Konkurrenzvergleich hinsichtlich des Umsatzwachstums angestrebt wird, lässt sich die eigene Leistung mit Hilfe von Diagrammen darstellen und so der Leistung der Wettbewerber gegenüberstellen. Die hierbei gewonnenen Zahlen sind objektive Werte aus dem Markt, also keine subjektiven und geschätzten Budgetziele.

Operativer Index: Wertvergleich über mehrere Jahre
Wirklich aussagekräftig wird der Vergleich mit der Konkurrenz, wenn er regelmäßig und in Form einer Zeitreihe erfolgt. Hierfür werden die Kennzahlen der Wettbewerber über mehrere Jahre erhoben und den eigenen Werten gegenüber gestellt. Dies wird als operativer Index bezeichnet. An diesem Index erkennt man gut den Zustand der Branche. Konjunkturzyklen lassen sich oft direkt ablesen.

Typischerweise erkennt man bei gut ausgewählten Peer-Gruppen starke zyklische Muster, welche die eigene Leistung vergleichbar machen. Der Vorteil: Die Entscheider im Unternehmen müssen sich nicht mehr nur alleine auf die Aussagen marktnaher Mitarbeiter, z.B. der eigenen Verkäufer, verlassen, um die Branchenentwicklung abzuschätzen. Ein Blick auf den operativen Index genügt und die Position im Branchen- und Peer-Umfeld kann leicht festgestellt werden.

Die Finanzführung kann hiermit unabhängig von Budgets oder der operativen Leistung feststellen, wo das Unternehmen steht, wo es Verbesserungspotenzial gibt und in welche Richtung sich einzelne Divisionen entwickeln müssen. Dadurch verliert der Planungsprozess stark an politischer Brisanz: Es wird nicht mehr über das Budget gestritten, sondern über die Entwicklung der Märkte diskutiert, was erheblich angenehmer, interessanter und vor allem auch wirtschaftlich sinnvoller ist.

Beispiel: Umsatz-Index Agrikultur-Sparte Nordamerika

Wie ein solcher operativer Index funktioniert, zeigt obenstehende Grafik anhand der in Nordamerika angesiedelten Agrikultur-Sparte eines anonymisierten Beispielunternehmens.
Die mittlere Linie stellt den Median der Peer-Gruppe dar. Der Median liegt genau in der Mitte der erhobenen Daten, das heißt, dass es gleich viele Unternehmen gibt, die sowohl besser als auch schlechter sind als der Median. Die obere und die untere Linie bilden einen Korridor zwischen dem 25. und 75. Quartil. Mit anderen Worten: Innerhalb dieser Linien liegen jeweils die mittleren 50 Prozent der gesamten Vergleichsgruppe.

Die Unternehmensentwicklung lässt sich sehr gut vor dem Hintergrund der Branchenentwicklung ablesen. 1998 gab es ein Umsatztief, 2003 dafür ein Umsatzhoch. Dazwischen gab es ein Zwischenhoch im Jahr 1999 und ein Zwischentief 2001. Seit 2004 bewegt sich die Umsatzentwicklung wieder nach unten. Wenn der operative Index solche Zyklen aufweist, dann ist eines sicher: Das Peer-Universum ist homogen und bildet Branchenzyklen richtig ab. Es ist einfach, in guten Zyklen zu wachsen und es ist schwierig, in schlechten Zyklen die Größe aufrecht zu erhalten. Möchte man Manager beurteilen, darf deren Leistung folglich nicht isoliert beurteilt werden, sondern im Vergleich mit der Branchenentwicklung. Und genau dies lässt der operative Index zu.

Welches war das beste Jahr unseres Beispielunternehmens? War es 2003 mit dem höchsten absoluten Umsatzwachstum oder 1997 mit dem Umsatzwachstum, das am höchsten über der oberen Quartilsgrenze lag? Beide Ergebnisse sind gut, das beste Ergebnis gab es jedoch 2000, als es gelang, aus einer Position unterhalb des Umsatz-Index in eine Position über der oberen Quartilsgrenze vorzudringen, also mehr als ein ganzes Quartil zu »überspringen«. Eine solche Beobachtung lässt sich ohne operativen Index gar nicht anstellen und infolgedessen werden Führungskräfte ohne die Messungen des operativen Index teilweise komplett falsch beurteilt. Das gilt auch für negative Geschäftsentwicklungen: Das schlechteste Jahr war nicht etwa 2005, sondern die Jahre 2002, 2004 und auch 1999. In diesen Jahren sank das Unternehmen nämlich jeweils ein Quartil ab.

Geschäftsbereiche beurteilen
Der operative Index ist vor allem auch für Konzerne interessant: Verfügt ein Unternehmen über mehrere verschiedene Geschäftsbereiche, die in unterschiedlichen Branchen angesiedelt sind, so können durch den operativen Index die Ergebnisse der verschiedenen Sparten optimal verglichen werden. Wachstumsraten verschiedener Geschäftsbereiche betrachtet die Geschäftsführung immer in Relation zum jeweiligen Markt.

Ist eine bestimmte Sparte in einem Wachstumsmarkt tätig und die Wachstumsraten liegen im Vergleich zur Branche unter dem Durchschnitt, so ist die entsprechende Leistung auch bei positiven Werten als schwächer zu beurteilen, als die eines anderen Geschäftsbereiches, der in einem stagnierenden Markt seinen Umsatz leicht steigern konnte. Solche Überlegungen sind entscheidend, wenn es darum geht, innerhalb des Unternehmens unterschiedliche Divisionen oder Geschäftsbereiche zu beurteilen.

Überblick behalten im Kennzahlendschungel
Es gibt etwas, das sowohl Aufsichtsräte als auch die Geschäftsleitung gleichermaßen auf die Barrikaden treibt: Haufenweise Listen mit Kennzahlen vom Finanzmanager. In zahlreichen Umfragen mit Aufsichtsräten haben wir immer wieder die Frage gestellt: Was wünschen Sie sich von Ihrem Finanzverantwortlichen, wenn es ans Reporting geht? Die Antwort war immer die gleiche: Wenig Zahlen, lieber eine Grafik und möglichst alles Wichtige auf einen Blick.

Der operative Index ist ein wertvolles Instrument, um die Leistung des Unternehmens zu beurteilen. Da aber mehrere Kennzahlen gleichzeitig beurteilt werden müssen, kann die Auswertung verschiedener Zeitreihen durchaus zeitaufwendig werden. Abhilfe schafft ein neues Visualisierungsinstrument, das wir Stern-Radar getauft haben. Es handelt sich dabei um ein Netzdiagramm, das der Geschäftsführung ermöglicht, auf einen Blick gleich mehrere Kennzahlen im Verhältnis zu den Wettbewerbern im Auge zu behalten. Hierfür wird die eigene Leistung mit derjenigen der Wettbewerber in eine Rangfolge gebracht, so dass sich leicht nachvollziehen lässt, an welcher Position man sich gerade befindet – und dies für mehrere Kennzahlen auf einen Streich.

Im untenstehenden Beispiel stellt der eingefärbte Bereich das eigene Unternehmen dar. Wohlgemerkt handelt es sich hierbei bereits um Werte, die zu den Peer-Unternehmen ins Verhältnis gesetzt wurden. In fast allen Bereichen schneidet das Beispielunternehmen besser ab als der Median der Peers. Dennoch liefert der Radar dem geübten Betrachter einige Hinweise, die geprüft werden sollten. Beispielsweise sind alle Margengrößen relativ hoch und liegen über dem Median. Das Umsatzwachstum allerdings liegt darunter. Hieraus ließe sich eine Umsatzstrategie ableiten: Mit einer aggressiveren Preispolitik könnte das Unternehmen vielleicht neue Umsätze erreichen. Vorsicht ist hingegen bei der Kapitaleffizienz geboten: Nettoumlaufvermögen und insbesondere Invested Capital Turns (Umschlag des investierten Kapitals) sind erheblich schlechter als bei den Peers. Dies kann das Resultat einer Investitionsoffensive sein. Es kann aber auch sein, dass die Branche gezielt Kapital abbauen konnte, ohne Umsatzeinbußen hinzunehmen. Dieser Aspekt muss von der Unternehmensleitung ernsthaft geprüft werden.

Visualisierung und Frühwarnung mit Hilfe des Stern-Radars

Der Stern-Radar ist also Visualisierungsinstrument und Frühwarnmechanismus in einem. Man spricht über die Abweichungen von der Konkurrenz und den Einfluss auf die Aktivitäten und die Resultate der nächsten Periode. Es geht nicht mehr um die Frage »Warum wurde das nicht budgetiert?«, sondern um Fragen wie: »Warum sind wir hier schlechter als die Konkurrenz?«

Nutzen für Unternehmensführung und Aufsichtsrat
Nachfolgend sollen die Vorteile der Finance Intelligence noch einmal kurz und bündig zusammengefasst werden. Die Liste ist keinesfalls vollständig und bestimmt werden mit wachsender Verbreitung von Finance Intelligence-Methoden auch weitere Bereiche der Unternehmensleitung betroffen sein.

:: Planung und Strategieentwicklung werden (kapital-)marktorientiert durchgeführt. Dies bedeutet, dass nicht mehr das Budget, sondern die Erwartungen der Investoren die größte Rolle spielen.
:: Die Leistungsbeurteilung erfolgt im Vergleich zum Wettbewerb statt als Abweichung zum Budget.
:: Investitionsentscheidungen werden anhand von wertorientierten Kennzahlen getroffen.
:: Simulationen und statistische Modelle helfen dabei, das Unternehmen richtig zu beurteilen und aus der Analyse passende Handlungsanweisungen abzuleiten.  

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