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Mündige Patienten unerwünscht? Ein Plädoyer für Pharmawerbung
Der Konsument und Patient hat ein Recht auf Werbung. Und ein Recht auf freie Meinungsbildung. Dass es für bestimmte Krankheiten berechtige Einschränkungen gibt und gesetzlich geben muss, ist zwar wichtig und richtig, dennoch sind die Bürgerinnen und Bürger, ob gesund oder krank, durchaus in der Lage, zwischen markschreierischer Reklame und informativer Werbung zu unterscheiden.

        


 
irft man einen laufenden Fön in die Badewanne, kann dies tödlich enden. Ebenso gefährlich sind übermäßiger Alkohol- und Fettkonsum, lediglich ist die Zeit bis zum Ableben etwas verzögert. Auch beim Autofahren verletzen sich jedes Jahr viele Menschen schwer. Schlimm genug und allgemein bekannt. Dennoch verbietet niemand die Bewerbung der potenziell riskanten Produkte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in Zeitschriften, im Kino oder im Internet. Vielmehr werden in der Werbung die positiven Effekte in den Vordergrund gestellt, wohingegen die negativen im Kleingedruckten der Betriebsanleitung stehen.

Der gesunde Konsument
Wer gesund ist, hat die Freiheit, Geld auszugeben. Schließlich leben wir in einem liberalen Land. Es gibt zwei Ausnahmen von dieser Regel: Zigaretten- und Medikamenten-Werbung. Bei den Zigaretten steht das Risiko prominent auf jeder Packung. Doch für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind weder öffentliche Werbung noch die Produktwahl durch den Laien erlaubt.

Der verantwortungsvolle Arzt
Als die deutschen Gesetze zur Beschränkung von Werbung für Arzneimittel gemacht wurden, tat man das in bester Absicht und zum Schutze der Patienten vor schädlichen Effekten: Nur Ärzte und Apotheker seien aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, die Chancen und die Risiken von Arzneimitteln zu beurteilen. Nur Ärzte könnten die Entscheidung darüber treffen, ob ein Medikament zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt wird oder eben nicht.

Ethisch betrachtet macht diese Beschränkung durchaus Sinn: Ein todkranker Mensch sollte nicht zusätzlich zu seiner Angst auch noch dem Entscheidungsdruck ausgesetzt sein, welche Behandlung für ihn die beste ist. Keinem AIDS- oder Krebspatienten soll zugemutet werden, die für ihn wirksamste Chemotherapie zu recherchieren. Vertrauen darauf, dass der Arzt alles richtig macht, kann entlasten und den Heilungsprozess fördern. Auch bei Erkrankungen, die das Denken in Mitleidenschaft ziehen, Alzheimer oder Schizophrenie beispielsweise, sollte der Patient davor geschützt werden, falsche oder unsinnige Entscheidungen zu treffen.

Der bevormundete Patient
Anders sieht es bei chronischen Krankheiten aus, mit denen der Mensch sehr lange und oft so selbstverständlich lebt wie mit der Tatsache, dass er eine Brille tragen muss. Allergiker, Asthmatiker, Zuckerkranke, Leute mit zu hohem Cholesterin, Menschen mit Migräne, Gelenkschmerzen und viele andere, sind durchaus in der Lage und willens, eigene Entscheidungen über ihre Behandlung zu treffen. Sie sehen im Fernsehen Verkaufshows über nichtsnutzige Cremes, sie lesen in Frauenmagazinen über Wunderheiler, sie können freiverkäufliche Arzneien auf eigene Kosten erwerben, ohne zu wissen, dass es auch wirksamere und sichere Medikamente gibt, die die Krankenkasse erstatten müsste.

Über diese Medikamente dürfen diese Patienten nämlich nicht direkt informiert werden. Einzige Begründung dafür ist die Rezeptpflicht des Medikaments. Das ist ungefähr so logisch, wie wenn der Fahrlehrer und die Kfz-Versicherung darüber zu entscheiden hätten, welche Autowerbung der junge, der alte, der kurzsichtige, der dicke, der reiche, der zögerliche Führerscheinbesitzer jeweils anschauen darf.

Die internationalen Arzneimittelhersteller
Manche Pharmakonzerne informieren nun die Patienten in Deutschland ganz allgemein über ihre Erkrankung und über entsprechende Behandlungsmethoden. Direkt dürfen sie Ross und Reiter allerdings nicht nennen. Deshalb voll im Trend: Im Zeitalter der Globalisierung setzen die Pharmaverantwortlichen darauf, dass mündige Patienten oder deren Angehörige von selbst auf die Idee kommen, im Internet nach Informationen über Medikamente zu suchen, die hierzulande nicht beworben werden dürfen, aber den gleichen Namen tragen.

Ausblick
Der Gesetzgeber darf nicht davon ausgehen, dass die Bürger in unserem Land weniger differenzieren könnten als beispielsweise Amerikaner oder Mexikaner. Längst ist klar geworden, wie günstig sich das Heilmittelwerbeverbot in Europa auf das Budget der deutschen Krankenkassen auswirkt. Der ethische Deckmantel für das öffentliche Werbeverbot hochwirksamer Medikamente gehört daher abgelegt.

Die Bürger, ob gesund oder krank, sind durchaus in der Lage, zwischen markschreierischer Reklame und informativer Werbung zu unterscheiden, dies tun sie in jedem anderen Segment auch. Sie zahlen ihre Krankenkassenbeiträge und haben ein Recht auf moderne, hochwirksame Therapien, die sie im Arztgespräch abfordern und von ihrer Kasse erstattet bekommen sollten. Das wäre ethisch korrekt.