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Zentralisieren oder dezentralisieren – Wie werden Entscheidungsbefugnisse effizient verteilt?
Zentralisieren oder dezentralisieren? - eine Fragestellung, die die Betriebswirtschaft seit langem beschäftigt, ohne an Aktualität verloren zu haben. Gerade heute stellt sich die richtige Verteilung von Entscheidungsbefugnissen zwischen der Unternehmensspitze und den nachgeordneten Unternehmenseinheiten als immens wichtiger Wettbewerbsfaktor heraus.

        


 
ie Gründe für die neue Aktualität der Frage nach der Verteilung von Entscheidungsbefugnissen liegen in den Auswirkungen zunehmender Globalisierung der Unternehmen und Märkte, der Rückbesinnung auf Kernkompetenzen aber auch in der Forderung nach einer Wertorientierung der Unternehmensführung.
Anders als bislang üblich, wird im Folgenden die Frage nach der Zentralisierung nicht pauschal betrachtet, sondern hinsichtlich unternehmensinterner Entscheidungsverantwortungen. Auf dieser Grundlage werden die Vor- und Nachteile der Zentralisation denen der Dezentralisation gegenübergestellt. Zwischen beiden Polen entsteht in Bezug auf Entscheidungsbefugnisse ein Spannungsfeld, aus welchem innovative Formen der Unternehmensorganisation entstehen können.

Eine dieser womöglich zukunftsweisenden Formen ist die Hypertextorganisation, die sich als ein integrativer Bestandteil der lernenden Organisation versteht. Die im späteren Abschnitt des Artikels vorgenommene Veranschaulichung dieses Organisationsmodells wird zeigen, inwiefern eine richtige Mischung dezentraler und zentraler Komponenten neue Chancen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen bieten kann. Veranschaulicht wird dies anhand des konkreten Beispiels der Sharp AG, die die Problematik der richtigen Verteilung von Entscheidungsbefugnissen aufgreift und mögliche Lösungsansätze aufzeigt.

Zentralisation und Dezentralisation von Entscheidungen
Entscheidungen der Unternehmensführung stehen im Mittelpunkt des Handelns. Durch Führungsentscheidungen werden

:: die Ziele und Strategien festgelegt, die im Unternehmen verfolgt werden,
:: die Maßnahmen bestimmt, mit denen die Ziele erreicht werden sollen, und
:: die Ressourcen gefördert, deren Einsatz zielorientierte Aktionen erst möglich machen.

Die Prinzipien der Zentralisation und Dezentralisation beschreiben diese Verteilung von Führungsentscheidungen auf hierarchisch über- und untergeordnete Führungsebenen.

Die Entscheidungszentralisation bezeichnet die Tendenz, Entscheidungsbefugnisse bei der obersten Führung zusammen zu fassen. Die Entscheidungsbefugnisse sind somit in der Unternehmensspitze gebündelt. Alle wesentlichen Unternehmensfunktionen sind bei der Führungsspitze angesiedelt, so z.B. beim Produktionsvorstand, im Personalmanagement, Finanzvorstand und Marketingvorstand. Die Entscheidungsbefugnisse nehmen von Ebene zu Ebene der Entscheidungshierarchie kontinuierlich ab. Die Richtlinien, die von der Zentrale vorgegeben werden, sind von den Führungskräften auf den unteren Ebenen zu befolgen.

Die Entscheidungsdezentralisation hingegen bedeutet eine vermehrte Verteilung von Entscheidungsbefugnissen und Entscheidungsgewalt in den einzelnen Unternehmensbereichen.

Bezieht man in diesem Sinne Zentralisation und Dezentralisation auf das Gesamtunternehmen, so ist aus theoretischer Sicht lediglich der Extrempunkt der vollständigen Zentralisation vorstellbar, während es eine vollständige Dezentralisation von Entscheidungen in einem Unternehmen nicht geben kann. In der Praxis ist keiner der beiden Punkte realisierbar. Streng genommen geht es damit bei der Frage nach Zentralisation oder Dezentralisation um die Bestimmung des Dezentralisationsgrades von Unternehmen.

Determinationsfaktoren
Der Blick in verschiedenste Unternehmen zeigt, dass es unterschiedliche Merkmale von Unternehmen und Unternehmensbereichen gibt, die zu einer bestimmten Ausprägung der Zentralisation bzw. Dezentralisation von Entscheidungen tendieren. So stützen sich Empfehlungen hinsichtlich einer Tendenz zur Entscheidungszentralisation bzw. -dezentralisation in Unternehmen auf folgende determinierende Faktoren:

:: Beschaffenheit des Marktes: Bei dynamischen Marktverhältnissen eignet sich eine Entscheidungsdezentralisation, um sich schnell wechselnden Verhältnissen zeitnah anpassen zu können.
:: Beschaffenheit der Produkte: Eine homogene Produktpalette des Unternehmens eignet sich dafür, Entscheidungsbefugnisse zu zentralisieren.
:: Ausmaß der Ähnlichkeit der zu verrichtenden Arbeiten: Generell tendieren Unternehmen mit wenigen homogenen Tätigkeitsfeldern zu einer Zentralisation.
:: Größe des Unternehmens: Bei einer hohen Anzahl von Mitarbeitern wirkt sich eine Dezentralisation meist positiv aus.
:: Auslandsgeschäft: Eine Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen eignet sich zumeist bei einer hohen Bedeutung des Auslandsgeschäftes und einer hohen Anzahl der Auslandsstandorte.
:: Qualifikation der Mitarbeiter: Sind die Mitarbeiter hoch qualifiziert, wirkt sich eine Delegation von Entscheidungsverantwortung in der Regel positiv aus.
:: Höhe des Informations- und Kommunikationsbedarfs unter den Unternehmenseinheiten: Die Zentralisation empfiehlt sich bei hohem Kommunikationsbedarf, um die Koordination zwischen den Unternehmenseinheiten zu optimieren.
:: Ausmaß der Abhängigkeit von externen Organisationsteilnehmern: Ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit innerhalb des Unternehmens sorgt für eine gute Kooperation mit externen Partnern.
:: Entwicklungsstand der Planungs- und Kontrollsysteme: Planungs- und Kontrollsysteme müssen auf Grund des höheren Aufwands in dezentralen Organisationen zuverlässig und schnell sein, in zentralen Organisationen besteht hingegen nur ein geringer Aufwand, da die Richtung von Entscheidungen und Rückfragen eindeutig vorgegeben ist.

Generell lässt sich sagen, dass einzelne betriebliche Funktionsbereiche eines Unternehmens unterschiedliche Zentralisierungspotenziale besitzen. Nur schwerlich zentralisieren lassen sich etwa Marketing und Vertrieb, da sie Entscheidungsautonomie brauchen, um lokalen Markterfordernissen gerecht zu werden. Dagegen eignet sich der Bereich Finanzen⁄Controlling besonders gut für die Zentralisation von Entscheidungsbefugnissen.

Die Entscheidungszentralisation bzw. –dezentralisation weisen jeweils spezifische Vorteile auf, die bei einer eventuellen Restrukturierung abzuwägen sind.

Vorteile der Entscheidungszentralisation
1. Eine Entscheidungszentralisation bedeutet zumeist niedrigere Personalkosten durch eine geringere Anzahl qualifizierter Führungskräfte, während bei der Dezentralisation höhere Personalkosten anfallen, die sich durch den höheren Bedarf an qualifiziertem Personal erklären.

2. Dadurch dass Entscheidungen zentral erfolgen, ergibt sich ein geringerer Koordinationsaufwand durch wenige Entscheidungszentren und einheitliche Willensbildung. Gleichzeitig erfordert die Entscheidungsdezentralisation einen umso höheren Koordinations- und Planungsaufwand.

3. Zentral getroffene Entscheidungen können bei entsprechender Zielstrebigkeit der Unternehmensleitung leichter nach Plan verfolgt werden, während ihre Dezentralisation eine optimale Abstimmung der Teilpläne hinsichtlich der obersten Zielsetzung meist erschwert.

4. Eine Entscheidungszentralisation ruft kaum Kompetenzkonflikte hervor. Grund sind klare Regelungen von Unterstellungsverhältnissen und Verantwortlichkeiten, wohingegen bei der Dezentralisation Verantwortlichkeiten verwischen können und es folglich zu Kompetenzstreitigkeiten kommen kann.

5. Mehrfacharbeiten können durch klare Aufgabenzuteilung minimiert werden, während die Dezentralisation Rationalisierungsvorteile von Arbeitsteilung nicht voll ausschöpfen kann.

6. Gute Kontroll- und Planungsmöglichkeiten sind das Ergebnis zentral getroffener Entscheidungen, die sich durch eine klare Aufgabenzuteilung kennzeichnen, wohingegen die Kontrollmöglichkeiten bei der Entscheidungsdezentralisation begrenzt sind.

Vorteile der Entscheidungsdezentralisation
1. Die Dezentralisation von Entscheidungen steigert die Entscheidungsqualität und -geschwindigkeit auf Grund hoher Detailkenntnis der Mitarbeiter. Demgegenüber zieht die Zentralisation eine höhere Informationskomplexität für die Entscheidungsträger nach sich und verursacht somit eine sachlich und zeitlich schlechtere Entscheidungsfindung.

2. Gleichmäßige und kurzzeitige Belastung von horizontalen und vertikalen Kommunikationswegen ist eine positive Konsequenz der Entscheidungsdezentralisation. Die Entscheidungszentralisation verursacht eine intensive Belastung der vertikalen Kommunikationswege durch viele und lange Weisungswege, welches wiederum in Informationsverlust und fehlerhafte Übermittlung mündet.

3. Dadurch, dass Verantwortung auf untere Ebenen delegiert wird, werden Motivation und Kreativität der Mitarbeiter gefördert. Dezentral getroffene Entscheidungen resultieren in einem höheren Verantwortungsgefühl und mehr Mitarbeiterzufriedenheit bei den Angestellten. Bei der Entscheidungszentralisation wird die Kreativität und Initiative der Mehrzahl der Aufgabenträger dadurch eingeschränkt, dass ihr Handeln fremdbestimmt ist und Autonomie fehlt.

4. Die kürzere Reaktionszeit durch flache Hierarchien hat einen positiven Einfluss auf die Innovationsfähigkeit und Flexibilität des Unternehmens. Dies steht im Gegensatz zum zentralisierten Unternehmen, das durch verminderte Flexibilität auf Veränderungen nur schwerfällig reagieren kann.

5. Die Dezentralisierung von Entscheidungen entlastet die Führungsspitze, während die Zentralisierung wegen der großen Anzahl an komplexen Entscheidungen eine schnelle Überlastung der Zentrale hervorruft.

Die Förderung des organisationalen Lernens ist das Resultat des verminderten hierarchischen Gedankens der Entscheidungsdezentralisation. Des Weiteren kann Entscheidungszentralisation bei den Mitarbeitern durch vorgegebene, nicht beeinflussbare Handlungsvorgaben Akzeptanzprobleme hervorrufen. Schließlich kommen eine starke personale Abhängigkeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern und ein stark eingeschränkter Entscheidungsspielraum hinzu; dies kann die Mitarbeiter demotivieren.

Die Vor- und Nachteile des Zentralisationsgrades sind sehr unternehmensspezifisch. Ob Aufgaben stärker zentralisiert oder dezentralisiert werden sollen, kann deshalb nicht generell beantwortet werden. Während für einzelne Bereiche dezentralisierte Entscheidungsbefugnisse von Vorteil sind, gibt es für andere Bereiche keine wirtschaftliche Alternative zu einer starken Zentralisation. Hilfreich ist es in jedem Fall, die genannten Vor- und Nachteile sowie die verschiedenen Determinanten bei Handlungsempfehlungen und –entscheidungen für eine bestimmte Tendenz der Zentralisierung oder Dezentralisierung mit in die Waagschale zu werfen.

Wägt man dann vor dem Hintergrund der Eigenheiten des spezifischen Unternehmens die einzelnen Faktoren gegeneinander ab, so entsteht in der Regel ein Spannungsfeld von Zentralisation und Dezentralisation, in dem die optimale Organisationsform entsteht.

Als Beispiel für die Mischung zentraler und dezentraler Strukturelemente bietet sich die Hypertextorganisation an, welche die jeweiligen Vorteile verbindet. Zudem bietet diese Organisationsform die Möglichkeit, im Unternehmen Wissen effizienter zu generieren und zu speichern. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu gewährleisten, bedarf es der richtigen Mischform von Zentralisation und Dezentralisation.

Wissen schaffen durch die Hypertextorganisation
Das Konzept der Hypertextorganisation ist auf Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi zurückzuführen und zielt darauf ab, im Unternehmen bewusst Wissen zu schaffen. Die Hypertextorganisation bildet die strukturelle Basis für Wissensschaffung und ist eine Synthese zentraler und dezentraler Organisationsstrukturen.

Bürokratie und Projektgruppen werden als komplementäre Instrumente angesehen, die sowohl die Effizienz der Unternehmenszentrale als auch die Flexibilität vor Ort maximieren. Die Organisationsstruktur der Hypertextorganisation besteht aus drei miteinander verbundenen Schichten: die Geschäftssystem-Schicht, die Projektteam-Schicht und die Wissensbasis.

Struktur der Hypertextorganisation
Die Geschäftssystem-Schicht ist hierarchisch strukturiert und durch Entscheidungszentralisation gekennzeichnet. In dieser Schicht sind die Mitarbeiter in ihre Abteilungen eingebunden und befassen sich mit Routinearbeiten.

In der Projektteam-Schicht, die nichthierarchisch und selbstorganisierend ist, arbeiten die Mitarbeiter für einen definierten Zeitraum mit Kollegen aus anderen Bereichen des Geschäftssystems zusammen. Bis zum Projektabschluss sind diese ausschließlich für das jeweilige Projekt tätig, z.B. die Neuentwicklung eines Produktes. Die Mitarbeiter können hier abteilungsübergreifend Ideen und Wissen generieren und austauschen. Diese Schicht zeichnet sich durch Entscheidungsdezentralität aus.

Die dritte Schicht ist die Wissensbasis, die keine eigenständige Organisationseinheit ist, sondern u.a. durch Vision, Kultur oder Technologien (im Sinne von Hardware, Software-Anwendungen, Datenbanken und anderen Kommunikationstechnologien) verkörpert wird.

Die Geschäftssystem-Schicht gibt stabile Rahmenbedingungen, bürokratische Kontrolle und Effizienzdenken vor. Sie ist gekennzeichnet durch hochgradige Zentralisation, Formalisierung, Spezialisierung und Standardisierung, was sich vor allem für Routinearbeiten eignet, bei denen kaum neuartige Entscheidungen notwendig sind. Die Struktur der Projektteam-Schicht hingegen zeichnet sich durch Dynamik, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Effektivität und hohe Entscheidungsautonomie aus und soll die Schwächen der Hierarchie wie beispielsweise mangelnde Innovationsfähigkeit ausgleichen. In der Wissensbasis wird das in den anderen beiden Schichten generierte Wissen über alle Projekte und Abteilungen hinweg zentral aufbewahrt und zur Verfügung gestellt. In der Wissensbasis ist somit das gesamte Wissen einer Organisation (relevantes und irrelevantes) verankert, das für künftige Problemlösungserfordernisse und Entscheidungen abgerufen werden kann. Die Wissensbasis gilt als konstitutiv für das System und ist keine Variable, die einfach entfernt oder hinzugefügt werden kann.

Vorteile der Hypertextstruktur
Die Hypertextorganisation als Synthese zentraler und dezentraler Strukturen weist mehrere Vorteile auf. Sie bietet einerseits Stabilität, stößt aber andererseits auch laufend Prozesse der Veränderung an, um sich ändernden Anforderungen flexibel anzupassen. Eine Anpassung ist sowohl an extern als auch an intern geänderte Rahmenbedingungen schnell möglich. Unter externen Rahmenbedingungen werden hier beispielsweise sich wandelnde Marktbedingungen (kürzere Produktlebenszyklen, höhere Ansprüche an Produkte, etc.) verstanden; demgegenüber beinhalten geänderte interne Rahmenbedingungen beispielsweise die neue strategische Ausrichtung oder die Zusammenführung zweier Unternehmen. Sowohl die externen als auch die internen Determinationsfaktoren der Entscheidungskompetenz bedingen Entscheidungen sowie eine Anpassung der Organisationsstruktur an die neuen Gegebenheiten.

Als weiterer Vorteil der Hypertextstruktur ist die hohe Entscheidungsqualität auf Grund der steten Interaktion in und zwischen den Projektteams zu nennen. Dadurch, dass das vorhandene Wissen genutzt wird und damit eine bessere Informationsgrundlage besteht sowie verschiedene Perspektiven in den interdisziplinären Projektteams in hohem Maße Berücksichtigung finden, kann die Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung reduziert werden. Dies ist hinsichtlich der heute sehr komplexen Entscheidungen von besonderer Bedeutung. Die Speicherung und jederzeitige Verfügbarkeit des neu gewonnenen Wissens wird durch das Vorhandensein hierarchischer Strukturen und die Wissensbasis unterstützt. Die bestehende Struktur wird ständig reflektiert und in ihrem Status Quo hinterfragt.

Zugleich wirkt es sich positiv aus, dass in einer Hypertextorganisation die Entscheidungsbefugnisse an die jeweilige Rolle der Person, nicht an die Person als solches gebunden sind. So kann ein Abteilungsleiter einmal eine führende Entscheidungsrolle einnehmen und sich ein anderes Mal in untergeordneter Position befinden und kaum über Entscheidungsbefugnisse verfügen. Dies ist systemimmanent und z.B. in der Unternehmenskultur verankert.

Diese »Rollenflexibilität« führt dazu, dass der Beitrag zum Unternehmenserfolg als das Wichtigste betrachtet und der Bereichsegoismus eingeschränkt wird. Durch die ständig neue Zusammensetzung der Teams und deren befristete Zusammenarbeit kommt es nicht zur Bildung fester Strukturen und Entscheidungsmuster, denn die Flexibilität der Teammitglieder bleibt erhalten. Diese Form der Organisationsstruktur hat allerdings ihre Grenzen. So müssen z.B. die Mitarbeiter die Fähigkeit haben, sich mit wechselnden Über- und Unterordnungsverhältnissen, u.a. in Bezug auf Entscheidungsbefugnisse, zurechtzufinden.

Die Sharp AG als Beispiel einer Hypertextorganisation
Die Sharp AG ist im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) nach dem Muster der Hypertextstruktur aufgestellt. Die Projektteam-Schicht ist voll ausgebildet und unabhängig von der Geschäftssystem-Schicht. Die alltäglichen F&E-Aktivitäten sind in der Geschäftssystem-Schicht angesiedelt und nach herkömmlichem hierarchischem Muster organisiert.

Die Projektgruppen-Schicht ist unterteilt in die Entwicklung strategisch bedeutender Neuprodukte, auch urgent projects genannt, und in normale Entwicklungsarbeiten. Für dringliche Projekte werden Mitarbeiter aus den bestehenden Abteilungen abgezogen und in interdisziplinären Projektgruppen zusammengesetzt; normale Entwicklungsarbeiten werden in Teams innerhalb der einzelnen Divisionen durchgeführt. Jede Division kann dringliche Projekte vorschlagen, wobei auf der Technologiekonferenz von Sharp, dem höchsten Entscheidungsgremium, entschieden wird, welche Projekte durchgeführt werden.

Bei Sharp unterteilen sich die F&E-Aktivitäten in die F&E-Hauptgruppe für langfristige Aufgaben, die Labors der Geschäftsgruppen für mittelfristige Aufgaben sowie die Divisionslabors für kurzfristige Aufgaben. Die Entscheidungen werden von der F&E-Hauptgruppe gefällt und ebenso wie Forschungsresultate top-down, d.h. von der F&E-Hauptgruppe über die Forschungslabors an die Labors der einzelnen Divisionen weitergegeben. Mit Hilfe der hierarchischen Organisation werden eine effektive Verknüpfung und ein effizienter Austausch von explizitem F&E-Wissen erreicht. Ein stetiger Wissensaustausch zwischen den Ebenen wird dadurch ermöglicht, dass mehrere Gremien und Konferenzen die einzelnen Aktivitäten koordinieren.

Durch die Speicherung des gewonnenen Wissens und dessen Kombination kann Sharp erfolgreich neue Technologien und Produkte entwickeln. Die aufgeführten Organisationseinheiten innerhalb der F&E-Aktivitäten von Sharp verdeutlichen, dass es mit der Technologiekonferenz eine zentrale Steuerungseinheit gibt. Gleichzeitig kommt es unterhalb dieser Ebene in den einzelnen Arbeitsgruppen, die nach der zeitlichen Dimension der Aufgaben unterteilt sind, zu zielgerichtetem, eigenverantwortlichem und fachbereichsübergreifendem Handeln.

Zusammenfassung
Die Diskussion über Zentralisation und Dezentralisation – insbesondere bezüglich Entscheidungskompetenzen – ist im Gange seitdem es die Organisationslehre gibt. Immer wieder haben Theoretiker einen Trend in eine der beiden Richtungen postuliert. Auf jeden Trend kam jedoch immer ein Gegentrend auf. Letztlich ist oft der Markt der maßgebliche Faktor bei der Gewichtung der Entscheidungsbefugnisse. So steht auch in Zukunft dem Vorteil der zentralisierenden Verbundeffekte großer Unternehmen der dezentral ausgerichtete Gedanke gegenüber, innerhalb der Organisation unternehmerisches Denken zu verankern, wie z.B. in Form von Profitcentern. Die Hypertextorganisation bietet eine Struktur, welche die Voraussetzung für beides schafft.  

 

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