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Kampf gegen die Markenerosion
Der von der US-Regierung ins Leben gerufene »Kampf gegen den Terror« bleibt nicht ohne Folgen für amerikanischstämmige Unternehmen. Wollten sich internationale Konsumenten vor Jahren mit US-amerikanischen Produkten noch ein Stück vom »American Way of Life« kaufen, ist dieser heute für viele Grund genug, zu einem alternativen nicht-amerikanischen Produkt zu greifen.

 

        


 
er »Kampf gegen den Terror« kratzt am Image US-amerikanischer Firmen. Weltweit wollen 20 Prozent der Konsumenten nicht mehr zu US-Produkten greifen, falls ein nicht-amerikanisches Substitutionsprodukt vorhanden ist, und zwar als Reaktion auf den Irakkrieg und die Maßnahmen der Terrorbekämpfung der US-Regierung (GMI World Poll).
In Europa sind es gar 55 Prozent, die ihrer Unzufriedenheit mit der Bush-Regierung durch Kaufverweigerung Ausdruck verleihen (Edelman Trust Barometer). Am stärksten ausgeprägt ist die Antipathie gegen amerikanische Produkte in Frankreich, wo 61 Prozent der Konsumenten weniger häufig amerikanische Produkte in ihren Warenkorb legen. In Deutschland verbessert sich die Lage etwas: der Prozentsatz der Konsumenten, die amerikanische Produkte ablehnen verringerte sich in 2005 auf 49 Prozent von 61 Prozent in 2004.

Zwar ist Antiamerikanismus für amerikanische Unternehmen keine neue Erscheinung. Schon immer beobachteten sie Märkte und hielten Ausschau nach Anzeichen, ob die Außenpolitik ihrer Regierung Zurückhaltung auf der wirtschaftlichen Seite hervorruft. Die internationale Ablehnung von heute hat allerdings eine andere Qualität als der historische Antiamerikanismus. In der Vergangenheit waren die antiamerikanischen Einstellungen immer die Reaktion auf spezifische Aktionen der Regierung. Heute sind diese Einstellungen generalisierter, sie richten sich gegen fast alle Regierungsaktivitäten und lehnen die Kultur, die Werte und den Lifestyle der USA im Allgemeinen ab. So geben immerhin 32 Prozent der befragten Konsumenten als Grund für ihre Kaufverweigerung die Ablehnung der amerikanischen Kultur an (Edelman Trust Barometer). Darüber hinaus beschreiben die Befragten US-Markenartikelunternehmen häufig als »arrogant, aufdringlich und selbstzentriert«.

Das Trust Barometer der PR-Firma Edelman untersucht außerdem jährlich, welchen globalen Unternehmen und Institutionen am meisten Vertrauen entgegengebracht wird und warum. Sowohl 2004 als auch 2005 kam dabei heraus, dass Europäer US-ansässigen multinationalen Firmen stärker misstrauen als Amerikaner dies tun. Und auch in diesem Zusammenhang werden als Hauptursachen die Unzufriedenheit mit der amerikanischen Außenpolitik sowie eine generelle Nichtübereinstimmung mit der amerikanischen Kultur genannt. So bringen etwa 58 Prozent der Amerikaner dem Fast-Food Giganten McDonald’s Vertrauen entgegen, aber nur 25 Prozent der Konsumenten in Europa. Für Coca Cola beträgt diese Vertrauenslücke 69 Prozent versus 45 Prozent und für Procter & Gamble 74 Prozent versus 44 Prozent.

Im Gegensatz dazu existiert für europäische oder asiatische Unternehmen, die in den USA tätig sind, eine solche Vertrauenslücke nicht. So weisen nicht-amerikanische Unternehmen Vertrauens-Ratings auf, die in allen Märkten etwa gleich hoch sind. Beispielsweise kann Nissan in den USA mit dem Vertrauen von 68 Prozent der Konsumenten rechnen, in Japan kommt der Automobilhersteller auf 63 Prozent, Siemens erreicht in den USA 57 Prozent und in Europa 60 Prozent. Die Studie macht damit deutlich, dass die »Vertrauensabschläge« für US-Unternehmen in Europa bedingt sind durch die Wahrnehmung der Kultur, Werte und Regierungsaktivitäten in den USA.

Beschädigung der US-Marken
Trotz dieser Umfrageergebnisse ist derzeit noch kein ernsthafter Rückgang der Umsätze US-amerikanischer Unternehmen feststellbar. Die ablehnende Einstellung der internationalen Konsumenten sollte jedoch ein deutliches Warnsignal sein. Die nächste Regierungsaktion, die von Konsumenten nicht gutgeheißen wird, könnte das Fass zum Überlaufen bringen und der Auslöser für Boykotte sein.

Zu befürchten ist, dass schlimmer noch als Boykottaufrufe sich die durch diesen Stimmungswandel ausgelöste schleichende Markenerosion auswirkt. Boykotte schädigen zwar einzelne Firmen für gewisse Zeit, ihre Wirkung verpufft aber relativ schnell wieder. Zu Beginn des Irakkrieges gab es vereinzelt Aufrufe, auf amerikanische Waren zu verzichten. So schnell wie diese Boykottaufrufe kommen, gehen sie meist auch wieder vorüber und bleiben in der Regel ohne große wirtschaftliche Auswirkungen.

Anders gelagert ist dieser Fall freilich, wenn die Boykottaufrufe mit der Einführung von Substitutionsprodukten verbunden sind. Das arabische Coca Cola-Substitut Star Cola verzeichnete nach Beginn des Afghanistan-Krieges erhebliche Umsatzzuwächse, auch Zam Zam Cola im Iran feiert große Erfolge. Und der Siegeszug der türkischen Marke Cola Turka wird durch die antiamerikanische Stimmung in der Türkei seit dem Irakkrieg gefördert. Die Gründe für das Gelingen des scheinbar unmöglichen Unterfangens, der Weltmarke Coca Cola Konkurrenz zu machen, liegen in dem wachsenden Unmut gegen die Politik der Bush-Regierung. Und dieser ist in muslimischen Ländern – nicht überraschend – am größten.

Die derzeit feststellbare nachlassende Beliebtheit amerikanischer Marken hat aber weniger mit Boykottaufrufen zu tun, vielmehr findet bei den Konsumenten weltweit ein Einstellungswandel statt. Die ursprüngliche Bewunderung für amerikanische Marken – getragen von der Vorbildfunktion amerikanischer Werte und dem »American Way of Life« – hat sich in ihr Gegenteil gewandelt. US-amerikanische Marken werden mit einer Außenpolitik assoziiert, die von einer Vielzahl der Menschen nicht goutiert wird. 81 Prozent der Deutschen, 73 Prozent der Franzosen und 52 Prozent der Konsumenten, die in UK leben, zeigten sich unzufrieden mit der Wiederwahl Bushs. Zwei Drittel aller europäischer Befragten sind der Meinung, dass die Außenpolitik der Bush-Administration von Selbstinteressen und Empire Building getrieben ist (GMI World Poll).

Nur weil es keine ernsthaften Boykotte gibt, dürfen US-amerikanische Unternehmen nun nicht den Fehler begehen, die globale öffentliche Meinung als heiße Luft abzutun. Werden keine Maßnahmen ergriffen, um das Vertrauen in die US-Unternehmen wieder herzustellen, verlieren sie nicht nur Kunden, sondern öffnen außerdem weiter Türen für asiatische Unternehmen, die nach Europa expandieren wollen. Umso wichtiger ist es für amerikanische Firmen, das Vertrauen der Kunden zurück zu gewinnen und sie wieder zum Kauf ihrer Produkte zu animieren, wenn man bedenkt, dass Unternehmen wie Procter & Gamble, Kellogg's, Coca Cola, IBM oder Gillette einen Großteil ihrer Umsätze außerhalb der USA generieren.

Da Umsatz ein so genannter »lagging indicator« ist, darf die Tatsache, dass die Umsätze im Moment noch nicht merkbar schrumpfen, nicht dazu veranlassen, den Kopf in den Sand zu stecken und den Sturm vorüberziehen zu lassen. Die Einstellungsänderung ist der Treiber für die Verhaltensänderung der Konsumenten: Wartet man mit Gegenmaßnahmen bis das Problem anhand der Umsatzzahlen spürbar wird, hat man schon viel wertvolle Zeit verstreichen lassen. Ist das Vertrauen erst einmal verloren, bekommt man kaum jemals eine zweite Chance.

Zudem sind möglicherweise die schwerwiegendsten, langfristigsten Auswirkungen der globalen Unzufriedenheit mit Amerika jene, die beinahe unsichtbar und am schwierigsten zu reparieren sind. Neben dem Imageverlust bei Kunden werden amerikanische Unternehmen zunehmend als weniger attraktive Arbeitgeber gesehen. Wettbewerbsvorteile, die im Anheuern und Behalten guter Arbeitskräfte bestehen, werden so leichtfertig vergeben. Erschwerend kommen die in letzter Zeit gewachsenen bürokratischen Barrieren bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte hinzu.

Das Herz der Kunden zurückgewinnen
Mit einem wieder gewählten Weißen Haus wird sich der außenpolitische Kurs nicht plötzlich ändern. Wie können sich trotzdem multinationale Unternehmen vor der Assoziation mit unbeliebten Regierungsmaßnahmen schützen und das Herz der ausländischen Kunden zurückgewinnen?

Eine mögliche Erfolgsstrategie wird sicherlich darin bestehen, dem jeweiligen Markt ein lokales Gesicht zu zeigen und sich in einen Dialog mit der lokalen Gemeinschaft einzulassen. Gemäß dem Slogan »think local, act local« gilt es der globalen Marketingstrategie eine Absage zu erteilen. Es ist in der momentanen Situation für amerikanische Unternehmen entscheidend, zuerst die Geschäftskultur vor Ort kennen zu lernen, um sich dann anzupassen und herauszufinden, wie sich die Konsumentenwerte von jenen der Amerikaner unterscheiden.

UPS hat dies sehr erfolgreich demonstriert. Nachdem sich der Paket-Dienstleister mit der Strategie, mit aller Gewalt den »UPS Way« durchsetzen zu wollen, ein blaues Auge geholt hatte, begann das Unternehmen, eine Mischung aus der spezifischen UPS-Kultur und den lokalen Marktkenntnissen zu finden. So ist UPS beispielsweise in neue Märkte oft durch Joint Ventures oder Partnerschaften eingetreten, um langfristiges Engagement zu demonstrieren. Und das Training und der Einsatz heimischer Manager garantieren die notwendige Anpassung an lokale Besonderheiten.

Auch wenn eine globale Marketingstrategie vielfältige Vorteile verspricht – wie etwa Kostenreduzierung, höhere Geschwindigkeit bei Produkteinführungen – so ist sie stets auch mit der Gefahr verbunden, dass amerikanische Unternehmen dadurch als »Kulturimperialisten« wahrgenommen werden, die sich arrogant über lokale Eigenheiten hinwegsetzen.
Der Erfolg dieses Rezepts wird stark davon abhängen, wie gut es gelingt, die »richtige« Mischung von Werten zu finden, die man am jeweiligen Markt darstellen möchte.

Einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung gingen die US-Unternehmen nach der asiatischen Tsunami Flutkatastrophe vom Dezember 2004. Mit der Gewährung humanitärer Hilfe gaben die Unternehmen den Konsumenten ein Signal, dass Amerikaner sehr wohl ein offenes Auge für internationale Ereignisse haben und keineswegs den Blick nur nach innen richten. Eine von GMI eine Woche nach der Flutkatastrophe durchgeführte Untersuchung ergab, dass US-Firmen mit der humanitären Hilfe für Tsunami-Opfer ihr Image tatsächlich aufpoliert haben. Danach sagen 46 Prozent der internationalen Konsumenten, dass sie mehr Produkte von jenen Firmen kaufen werden, die Hilfe gewährt haben. Es bleibt die Frage, ob diese Imageverbesserung dauerhaft ist und ob sie stark genug wirkt, um die durch die amerikanische Außenpolitik verursachte Erosion zu stoppen. Immerhin ist die Flut bald wieder aus den Medien verschwunden, während die US-Regierung weiterhin für Schlagzeilen sorgt.

Eine andere Möglichkeit, dem negativen Einfluss der US-Außenpolitik auf die US-Marken entgegenzuwirken, besteht darin, dass sich amerikanische Firmen bewusst von ihrem Herkunftsland distanzieren und ihre Marken weniger als »amerikanisch«, sondern stärker als globale Marken bewerben.

Marken von US-ansässigen Unternehmen werden von den internationalen Konsumenten in unterschiedlichem Maß als amerikanisch wahrgenommen. So hat beispielsweise Visa eine globale Marke aufgebaut, die nicht so stark mit den USA assoziiert wird. Nur von 17 Prozent der Konsumenten, die den USA stark ablehnend gegenüber standen, wird Visa als »sehr amerikanisch« identifiziert (GMI World Poll). Über American Express denken dies immerhin 64 Prozent der Konsumenten. Dieser Unterschied mag einerseits natürlich am Namen liegen, wogegen American Express – zumindest kurzfristig – nichts tun kann, andererseits geht Visa beispielsweise in Deutschland den Weg, die Kreditkarten über heimische Banken zu vertreiben und auf diese Weise dem Produkt einen lokalen Anstrich zu geben.

Den Zusammenhang zwischen Boykottüberlegungen und der Assoziation einer Marke als »sehr amerikanisch« macht ein weiteres Ergebnis der GMI World Poll deutlich: Konsumenten, die angaben, dass sie amerikanische Produkte boykottieren würden, pickten aus einer Liste von 35 – amerikanischen sowie nicht-amerikanischen – Marken Marlboro und McDonald’s als Boykottziele am häufigsten. Diese beiden Marken belegen auch Spitzenränge, wenn es um die Identifikation »extrem amerikanischer« Marken ging.

Es bleibt die Frage, wie weit eine Distanzierung von Amerika und den amerikanischen Werten sinnvoll ist. Viele amerikanische Produkte weisen neben ihren essentiellen Produktmerkmalen noch ein wesentliches Merkmal auf, mit dem sie sich von Konkurrenzprodukten zu differenzieren versuchen: Ingredienz von Marken wie Coca Cola oder Levi’s ist immer auch ein Fünkchen »American Way of Life«. US-Unternehmen, die hervorkehren, dass sie »amerikanische Werte«, etwa Freiheit, Individualität oder Optimismus, verkörpern, hatten zwar schon immer das Problem, im Ausland auch als arrogante, unsensible »Kulturimperialisten« wahrgenommen zu werden. Dadurch, dass neuerdings die unbeliebte amerikanische Außenpolitik negativ auf US-Firmen abfärbt, sind solche Firmen von der Krise stärker betroffen, die ein durch und durch »amerikanisches Produkt« verkaufen.

Lässt man allerdings dieses »Produktmerkmal« des amerikanischen Lebensgefühls wegfallen, berauben sich diese Marken selbst eines wesentlichen Differenzierungsmerkmals zu Alternativprodukten. Das amerikanische Lebensgefühl, das einst von einer Mehrheit positiv gesehen wurde und das daher auch den damit assoziierten Produkten einen Vorsprung verschaffte, wird nun eher als Last empfunden.

Die Herausforderung besteht nun darin, die anderen Produktmerkmale in den Vordergrund zu rücken bzw. das Label, ein »amerikanisches Produkt« zu sein mit neuem Leben zu füllen. Die positiven Seiten des »American Way of Life« müssen in den Vordergrund gestellt werden. Und dabei dürfen sich US-Unternehmen keinesfalls unachtsam über lokale Eigenheiten hinwegsetzen. Der Schlüssel zum Erfolg wird darin liegen, mit einem ernst gemeinten Bekenntnis zu Qualität die Bedürfnisse der lokalen Märkte zu bedienen.