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Warum die Nachfolge in Familienunternehmen nicht immer funktioniert
Die Nachfolgeregelung gerade in Familienunternehmen ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe. Trotzdem: Kein Unternehmer darf sich dieser Herausforderung entziehen. Nur die frühzeitige Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen, Strategien und Instrumenten, die eine gelungene Ablösung ermöglichen, führt das letzte große Projekt zum Erfolg.

        


 
ie Schnittstellen zwischen dem Unternehmer, seiner Familie und der Firma sind vielfältig und meistens recht anspruchsvoll. Dies spürt besonders, wer Veränderungen innerhalb dieses Beziehungs-Dreiecks aktiv gestalten darf oder muss.

Die Unternehmenseigentümer und Mitglieder ihrer Familien, bei denen eine Nachfolge ansteht, müssen informiert sein über die relevanten Verknüpfungen zwischen den Akteuren und die möglichen Handlungsalternativen. Dafür braucht es ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Nachfolge rechtzeitig und systematisch vorzubereiten und umzusetzen.

Der Inhaber kann in der Regel selbst bestimmen, wie er die Ablösung gestalten will. Er hat die Verantwortung gegenüber seinem Lebenswerk – und dazu gehört auch die Verpflichtung, rechtzeitig zu planen und allenfalls schrittweise loszulassen.

Auswirkungen des Alpha-Syndroms
Die Frage der Nachfolgeregelung ist also sehr eng mit dem Selbstverständnis des Unternehmers verknüpft. Dabei geht es im Kern um die Frage, was den Unternehmer antreibt und ihn allenfalls daran hindert, rechtzeitig für eine Nachfolge zu sorgen. Nur wer die persönlichkeitsbedingten Hemmfaktoren kennt, kann die Hebel für die Nachfolge richtig stellen.

Gesellschaft und Öffentlichkeit, Mitarbeitende und auch die eigene Familie haben je eigene Bilder, Vorstellungen und Legenden vom Idealtypus des Unternehmers, die sie mit ihren Ansprüchen an diese exponierte soziale Rolle verknüpfen. Gebündelt und auf eine Formel verdichtet könnte man sagen: Durch all diese Einflüsse sowie durch seine Persönlichkeit und seine Erfahrungen ist der Unternehmer auf die Rolle des Leittiers, des so genannten »Alphatieres« geradezu programmiert. Mit der Formel des Alpha-Tieres soll nicht simplen biologistischen und sozialdarwinistischen Argumentationslinien das Wort geredet werden.

Und dennoch: Die heute soziologisch eingekleidete Metapher vom Leitwolf hat (sozio-)biologische Wurzeln, die auch für uns Menschen gelten. In der Natur ist die Frage der Nachfolge klar geregelt. Das Alpha-Tier wird, sofern es nicht vorher stirbt, durch (stärkere) Rivalen zum Rücktritt gezwungen und verstoßen. Weil eine Lösung, die einen geordneten, ehrenvollen Rückzug ermöglichen würde, nicht vorgesehen ist, hält das Leittier so lange wie möglich an seiner Rolle fest.

Für den Unternehmer ist die Situation weitaus komplexer, und dennoch gibt es Parallelen. Nicht selten kommen aus dem Umfeld Rollenerwartungen, die den Unternehmer in seiner Sichtweise bestärken, (noch) nicht aufhören zu müssen beziehungsweise zu können. Dabei entwickelt er Verhaltensweisen, die eine professionelle Nachfolgeregelung hemmen oder sogar verunmöglichen.

Die Natur hat ihre eisernen Gesetze
In vielen Tiergattungen beherrscht ein starkes, älteres und erfahrenes Tier das Rudel. Dieses Alpha-Tier hat und nimmt sich alle Rechte. Es frisst zuerst die besten Stücke einer Beute, hat allein den Anspruch auf Paarungen und erkämpft sich stets den Respekt aller.

Freiwillig gibt es diese Alpha-Position nicht ab. Es bleibt der Rudelführer, bis ein Rivale es besiegt. Dann hat es sein Gesicht verloren und seine Regentschaft ist vorbei – es hat ausgedient. Und meistens folgt der Ausstoß aus dem Rudel und dann der Tod. Dieses Naturgesetz gilt bei Wölfen, Löwen, Tigern, Pavianen, Nilpferden, Hirschen, Mäusen, etc.

Beim Menschen hat sich die Gehirnstruktur über Jahrmillionen hinweg recht wenig entwickelt. Er wird wie Tiere von Trieben gesteuert und unser Instinktverhalten ist geprägt aus unserer Vorzeit als Höhlenbewohner. Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch seinen Verstand und seinen freien Willen. Er kann seine Lebensprioritäten aktiv gestalten und den Zeitpunkt seines Abtretens frei wählen. Ohne das Gesicht zu verlieren.

Der Mensch ist mehr als nur Gewohnheitstier, geprägt durch die Naturgesetze. Er ist auch Denktier, und in der Lage, traditionelle Verhaltensmuster zu durchbrechen. Er kann seinen klaren Willen in die Realität umsetzen. Entgegen dem Naturgesetz – das Alpha-Tier wird durch Dritte zum Rücktritt gezwungen und ist dann ein »Verstoßener« – könnte der Mensch das eigene Leben und die Stoßrichtungen in den jeweiligen Lebensabschnitten frei gestalten.

Doch die nachfolgend beschriebenen, unbewusst aufgrund von jahrtausendlanger Prägung ablaufenden Verhaltensmuster behindern als Hemmfaktoren den Generationenwechsel. Diese sieben »psycho-logischen« Mechanismen blockieren den notwendigen Veränderungsprozess an der Spitze von Unternehmen.

Dieses vielschichtige Vermeidungsverhalten bezeichnen wir als das Alpha-Syndrom: »Der Leitwolf will einfach nicht gehen.« Das Wort »Syndrom« stammt aus der Medizin und wird mit Krankheitsbild und Krankheitszeichen übersetzt. Und in der Tat: Manche hartnäckige Weigerung, die Alpha-Rolle abzugeben, lässt sich nur noch als krankhaft bezeichnen. Dies umso mehr, als dabei mit notorischer Regelmäßigkeit gesunde Unternehmen in eine ernsthafte Krise gestürzt werden.

Das Alpha-Syndrom verkörpert so etwas wie die Summe der Blocker für eine rationale Gestaltung der Nachfolge. Es beruht auf primär sieben psycho-logischen Hemmfaktoren, die meistens kombiniert auftreten:

:: Dominanzstreben
:: Konditionierung auf Erfolg
:: Selbstüberschätzung
:: Flucht in die Hektik
:: Angst vor dem Verhungern
:: Furcht vor dem schwarzen Loch
:: Vertrauen auf eine höhere Macht

Die Dominanz als treibende, aber auch behindernde Kraft
Die Dominanz des Unternehmers ist über lange Jahre die treibende und schöpferische Kraft. Das Unternehmen verdankt ihr vieles, wenn nicht alles. Erst in späteren Lebensjahren wendet sich die Dominanz gegen den Unternehmer, indem sie ihm den Blick auf Veränderungen versperrt. Dominanz hat also auch ihre negative Seite. Sie gilt als eine der Hauptursachen der Verschleppung von Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen und stellt damit eine der größten Gefahren für das Fortbestehen der Firma dar.

Erfolg macht süchtig. Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass unternehmerischer Erfolg zu gesellschaftlicher Reputation führt. Zu einer Steigerung also nicht nur des ökonomischen, sondern auch des so genannten »symbolischen Kapitals« - Erfolg macht auch sexy. Im Gegenzug bringt dieser Gewinn jedoch nicht selten eine ebenfalls gesteigerte gesellschaftliche Erwartungshaltung mit sich: Als »Vorzeigeunternehmer« qualifiziert sich nur, wer kontinuierlich Erfolg hat. Erfolg zwingt zu seiner Wiederholung - und macht süchtig und am Ende einsam.

Der alternde Unternehmer bleibt unternehmerisch fokussiert. Nur Helden sterben - das weiß jedes Kind - mit dem Schwert in der Hand im Kampf, und nicht im (Kranken)Bett. Und sie sterben jung, die Besten erwischt es als Erste.

Reparieren und Kurieren sind immer »second best«
Durch das Alpha-Syndrom - verstärkt durch externe Zwänge oder durch familieninterne bzw. gesundheitlich bedingte Notsituationen - erzwungene unternehmerische Generationenwechsel sind für alle Beteiligten sehr unbefriedigend. Dann wird die Unternehmer-Nachfolge erst geregelt, wenn es dazu eigentlich schon zu spät ist. Ohne den benötigten gedanklichen und zeitlichen Vorlauf.

Lässt sich der Leaderwechsel nicht mehr proaktiv gestalten, dann fehlt die Zeit für die Durchsetzung optimaler Konzepte. Die Chance, harmonische Lösungen zu realisieren, ist verspielt. Andere Personen übernehmen den Lead. Analog zum Naturgesetz werden stärkere Personen das Ausscheiden des Unternehmers regeln: ein Konkursbeamter, ein Familienmitglied, ein Verwaltungsrat, ein vom Unternehmer selbst eingesetzter Experten-Beirat oder gar ein Konkurrent, der die Schwächephase der Firma nutzt und zu einem billigen »Schnäppchen« kommt.

Der Unternehmer mit dem Rücken an der Wand muss dann vordergründige Lösungen akzeptieren und improvisieren. Dies ist dann nicht immer einfach. Denn bekanntlich lassen rechtliche Vorschriften (in der Schweiz) Umgründungen und die Ausschöpfung entsprechender Steuervorteile nur gelten, wenn eine »Ruheperiode« von über 5 Jahren beachtet wird.

Analog der Tierwelt wird der abgesetzte Patriarch oft mit »Schimpf und Schande« davongejagt. Er hat das Gesicht in der Öffentlichkeit, in seinem Beziehungsumfeld und in der Familie verloren. Dieses Vorgehen ist nicht nur für den Abgesetzten, sondern auch für seinen Nachfolger eine Zumutung. Oft hat dieser seine Ausbildung abzubrechen, sein Lebenskonzept kurzfristig umzustellen. Und muss meist unvorbereitet eine große Gesamtverantwortung übernehmen.

In solchen Fällen hat die Corporate Governance versagt. Meist war ein mehrheitlich mit Externen besetzter Verwaltungsrat nicht akzeptiert. Dadurch blieb eine wichtige Plattform für die Diskussion zentraler unternehmerischer Fragestellungen unbenützt.

Externe Initiatoren als Glücksfall
Eine allfällige Uneinsichtigkeit des Firmeninhabers zum notwendigen Rollenwechsel (vom Spielertrainer zum Coach am Spielfeld) können meistens nur externe Geschäftspartner oder eigene Vertraute proaktiv aufbrechen.

Besonders dominierende Alpha-Persönlichkeiten wie der »Monarch« oder der »General« benötigen hierzu einen direkten Anstoß von außen, damit die gängige Redewendung vom »Arbeiten bis zum Umfallen« nicht auf tragische Weise Wirklichkeit werden soll.

Exogene Initiatoren bzw. Impulsgeber bilden quasi das Gegengewicht zu den endogenen Hemmfaktoren. Oftmals sind es externe Anforderungen oder auch Drohungen, die den Unternehmer erst dazu bringen, sich (mehr oder weniger freiwillig) mit seiner eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen und die Hemmfaktoren zu überwinden.

In der Umgebung absolutistischer Fürsten gab es bekanntlich nur zwei Personen, die im Detail wussten, wie es um den Herrscher wirklich bestellt war und die ihm im Zweifel den Spiegel vorhalten durften: sein Hofnarr und sein Leibarzt. Und wo der Hofnarr fehlt, bleibt nur der Hausarzt. Ihm kommt eine besondere Stellung zu, die für die Initiierung einer Nachfolgelösung sehr hilfreich sein kann.

Neben dem Arzt kann auch ein Banker oder ein Geschäftspartner für die Realisation der anstehenden Veränderungen sich einbringen. Banken fordern bei Kreditverlängerungen klare Nachfolgekonzepte. Und größere Konzerne erwarten von ihren Zulieferanten zur Sicherung ihrer Garantieforderungen vermehrt einen wirkungsvollen Generationenwechsel.

Wenn die Hemmfaktoren außer Kraft sind
Welcher Unternehmer würde es zulassen, dass seine Buchhaltung nicht sauber geführt wird, dass eine strategische Neuausrichtung nicht systematisch geplant und konsequent durchgezogen wird? Unternehmer sind gestalterisch tätig, sie unternehmen sehr viele Dinge.

Die eigene Nachfolge darf nicht von Dritten erzwungen beziehungsweise gestaltet werden. Dies entspricht im Tierreich dem verlorenen Kampf um die Dominanz des Rudels. Psychologisch ist der Unternehmer in einer solchen Situation öfters handlungsunfähig. Die Initiative wird ihm aus der Hand genommen.

Zur Auslösung der Gestaltung des Nachfolgeprozesses braucht es den mentalen Klick: der Unternehmer wird aktiv und strukturiert seine Vorgehensweise. Im Idealfall gestaltet der Unternehmer seine Nachfolge im Vollbesitz seiner Kräfte und unter Ausnutzung sämtlicher Handlungsperspektiven, stufenweise und in Harmonie mit seiner Familie und den unternehmerischen Stakeholdern. Anstelle von reflexartigen Hauruck-Lösungen besteht die Zeit für optimale Konzepte, die überzeugend auf alle Stakeholder-Kategorien wirken und tragfähig sind.

In Kenntnis der psychologischen Gesetzmäßigkeiten des Alpha-Syndroms handelt hier der Unternehmer mit gekonnter Schwerpunktsetzung und einem mehrjährigen Veränderungsprogramm.

Die Veränderung beginnt am besten bei ihm selbst. Aktiv wird seine persönliche Metamorphose konzipiert und strukturiert. Sein Nachfolger bekommt den benötigten Entwicklungsspielraum und adäquate Managementaufgaben, mit steigenden Herausforderungen. Die Corporate Governance wird optimal gelöst, insb. durch einen kompetenten Verwaltungsrat, der die Transformation aktiv begleitet.

Die Work-Life-Balance als Schlüssel zum Erfolg
Dabei wäre es so einfach. Allein mit regelmäßigen Gesundheitsschecks und einer im wahrsten Sinne des Wortes gesunden Work-Life-Balance sähe der Unternehmer die Welt gleich mit anderen Augen. Er würde Abstand gewinnen, auch zu sich selbst. Und so das Tor öffnen für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung.

Jede Nachfolge ist ein Einzelfall. Es gibt keine Musterlösung, und es ist auch nicht der Sinn dieser Ausführungen, für jeden konkreten Fall eine Antwort bereit zu haben. Es geht vielmehr um einen Orientierungsleitfaden, mit dem der Inhaber sicherstellen kann, dass er alles berücksichtigt und in der richtigen Reihenfolge die richtigen Fragen stellt.

Der Firmeninhaber bringt über Jahre, oft über Jahrzehnte, seine ganze Arbeitskraft ins Unternehmen ein. Darum ist für Unternehmer besonders wichtig, über ihren Ausgleich zwischen Arbeiten und Leben nachzudenken. Warum ist Work-Life-Balance besonders in Hinblick auf die Nachfolgefrage von Bedeutung? Die (Wieder)Herstellung einer Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Leben ist aus drei Gründen ein zentraler Punkt für den Nachfolgeprozess:

:: Kraft für den Schluss-Spurt. Für eine erfolgreiche Nachfolge braucht es eine arbeitsintensive Zeit des Übergangs, die neuen Strukturen und personellen Konstellationen müssen definiert und eingeführt werden – ein letztes Mal ist die ganze Energie und Kreativität des Unternehmers gefragt. Gerade in dieser Phase ist eine gesunde Work-Life-Balance hilfreich. Dazu gehört ein breiteres Interessenspektrum, das dem Geist zusätzliche Impulse verschafft. Diese wiederum verbessern letztlich die Performance im Job: Work-Life-Balance hilft beim unternehmerischen Endspurt.

:: Abbremsen vor der Richtungsänderung. Für den Unternehmer bedeutet Work-Life-Balance primär Reduzierung der Arbeitszeit und ein verändertes Rollenverständnis mit mehr Ruhezeit, Ichzeit und Beziehungszeit. Das ermöglicht die nötige geistige Distanz zum eigenen Tun und die gedankliche Vorbereitung auf den Tag des Abschieds. Denken ist auch Handeln. Wer aber keine Zeit zum Denken hat, kann sein Handeln nicht ändern.

:: Absprung statt Absturz. Der Generationenwechsel muss kommen, in erster Linie zur Sicherung des Lebenswerkes. Wer ihn frühzeitig in seinen Kalender einträgt, kann sich darauf vorbereiten. Die täglich praktizierte Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Leben ist eine Grundlage des Lebenskonzeptes für die Zeit danach. Sie bannt die Furcht vor dem schwarzen Loch und sie stellt auch sicher, dass der Unternehmer nicht abrupt von einem Extrem ins andere fällt – von der Arbeit ohne Leben zum Leben ohne Arbeit.

Nicht das Nacheinander, sondern das Nebeneinander von Beruf und Privatleben ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Work-Life-Balance ist keine Altersvorsorge für eine ferne Zukunft, sie meint die unmittelbare Gegenwart und beginnt jetzt und hier. Dafür braucht es eine andere Denkweise, die das Augenmerk auf die Effektivität richtet und auch die Frage nicht ausklammert: Warum arbeite ich eigentlich so viel?

Die Ruhezeit ist der Baustein, der am häufigsten zu kurz kommt. Was nach der Arbeit vom Tag übrig bleibt, wird noch als Ichzeit und Familienzeit verplant. Den Zustand der Ruhe empfinden wir häufig als Leere, was unserer Vorstellung von Produktivität zuwiderläuft. Doch bereits Cicero erinnert uns daran, dass der kein freier Mensch ist, der sich nicht auch mal dem Nichtstun hingeben kann. Auch Ruhezeit muss aktiv geplant und gemanagt werden.

Während die Ruhezeit primär im Zeichen der Entschlackung und Entsorgung steht, dient die Ichzeit folglich dazu, das Leben mit neuen persönlichen Inhalten anzureichern. Sie ist im Work-Life-Portfolio der Baustein, der für einen ganz persönlich reserviert ist.

Die Beziehungszeit ist der Schlussstein in der Work-Life-Balance, der alles zusammenhält. Familie und soziale Kontakte machen den Menschen erst zu dem, was er ist. Viele Unternehmer leiden an sozialer Verarmung, obwohl sie beruflich ständig in Kontakt mit anderen Menschen sind. Mit dem Ende der beruflichen Laufbahn schlägt ihnen diese Einsamkeit dann voll ins Gesicht - und für diesen Moment gilt es vorzusorgen, jetzt, hier und kontinuierlich.

Individuelles Zukunftsszenario und Lebenskonzept
Neben der Work-Life-Balance will auch das persönliche Lebenskonzept für die Zeit nach dem Tag X geplant sein.

:: Was will ich in meinem dritten Lebensabschnitt tun?
:: Wie soll mein künftiges Kompetenzprofil aussehen?
:: Welche familiären und betrieblichen Ziele muss ich dabei mit meinen persönlichen Zielen harmonisieren?
:: Was ist in meinem Leben Pflicht und was ist Kür?
:: In welche Hobbys sollte ich bereits jetzt investieren?
:: Welchen Stellenwert wird meine Familie in 15 Jahren haben?
:: Soll die Ablösung in Etappen - zuerst der Rückzug aus dem operativen Geschäft, dann aus dem Aufsichtsratsvorsitz und zuletzt als Mitglied des Beirates - erfolgen?

Diese Zukunftsplanung verlangt ein strukturiertes Vorgehen. Hierzu bietet sich mit dem Lebensbrief ein einfach anzuwendendes und zugleich wirkungsvolles Instrument an. Der Lebensbrief verknüpft Vergangenheit und Gegenwart mit der Zukunft des Unternehmers. In ihm beschreibt dieser seine momentane Situation sowie seine Zukunft in zehn Jahren, ähnlich wie in einem Interview, in dem er in ferner Zukunft sein Leben Revue passieren lässt.

Der persönliche Nutzen des Lebensbriefes besteht vor allem darin, dass er den Unternehmer dazu anregt, über seine Erfolge wie Misserfolge, über gelöste wie ungelöste Probleme zu reflektieren. Sie alle bilden einen sinnvollen Ausgangspunkt für die persönliche Zukunft. Erfolge, um an ihnen anzuknüpfen (zum Beispiel durch eine zweite Karriere), ungelöste Probleme, weil nun endlich die Zeit kommt, sie zu lösen.

Wer den Mut zu einer transparenten und konstruktiven Auseinandersetzung hat, sollte noch einen Schritt weitergehen und den Brief nicht an sich selbst, sondern an seine(n) Lebenspartner(in) oder an seine Familie adressieren. Die Einbindung in den ganzen familiären Kontext kann noch besser sicherstellen, dass der Übergang in den dritten Lebensabschnitt - der für den Unternehmer wie für sein Umfeld eine echte Zäsur bedeutet - auch vom privaten Umfeld mitgetragen wird.

Der Lebensbrief kann wie ein Szenario aufgebaut werden. Bei der Szenariotechnik geht es im Kern darum, nicht abzubilden, was in der Zukunft ist (wie das Prognosen versuchen), sondern zu entwickeln, was sein könnte. Die Szenario-Technik ist eine Methode, mit der isolierte Vorstellungen über negative und positive Veränderungen in der Zukunft in einem ganzheitlichen Vorgehen zu Modellen verknüpft werden. Es werden dabei nach dem Motto »Was wäre wenn?« mehrere verschiedene »Zukünfte« entwickelt, vom Worst- bis zum Best-Case-Szenario.

Auch der engere Kreis der Familie muss in die Diskussion über wesentliche Inhalte des Lebenskonzeptes einbezogen werden. Das gilt in einem späteren Schritt gezielt auch für Schlüsselpersonen aus dem Betrieb. Nur so können allfällige Zielkonflikte, die für das Familienkonzept und im Weiteren für das Unternehmenskonzept relevant sind, frühzeitig identifiziert werden.

Ein Familienkonzept als Kristallisationspunkt
Es kann nicht erarbeitet werden, ohne dass die individuelle Lebensplanung des Inhabers geklärt ist. Es stellt das Familienkonzept weit mehr dar als nur eine logische Folge der persönlichen Planung. Das Familienkonzept soll die Interessen des Eigentümers mit denen der Familie in Einklang bringen. Die Familienmitglieder haben ein legitimes Interesse daran, dass der bevorstehende Wechsel sich nicht nachteilig auf die persönlichen Beziehungen und die Vermögensverhältnisse innerhalb der Familie auswirkt.

Im Zentrum des Familienkonzeptes muss eine Gesamtkonzeption für die Weiterentwicklung aller Besitztümer des Unternehmers und seiner Familie stehen. Dieser Baustein steht für die systematische integrierte Vermögensplanung der Familie, die Koordination des Mitteleinsatzes sowie die Abstimmung mit der persönlichen Risikoneigung der Beteiligten. Die Entwicklung einer solchen Strategie kann ebenso anspruchsvoll sein wie eine Unternehmensstrategie. Und: Eine ungelöste Pattsituation zwischen den Interessen des Inhabers und der Familie gilt als zweitwichtigster Grund für das Scheitern beim Generationenwechsel!

Und zuletzt die Umgestaltung des Unternehmenskonzeptes
Der Wechsel an der Spitze eines Familienunternehmens ist für alle Beteiligten ein einschneidendes Ereignis. Häufig entsteht dabei ein gefährliches Vakuum, das in der Übergangsphase bei Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten für Orientierungslosigkeit sorgt. Dem kann eine neu gestaltete Firmenvision entgegensteuern. Sie stellt den Inhalt vor die Person und gibt so allen Beteiligten die Sicherheit, die sie brauchen um sich mit ihren Kräften in der richtigen Richtung zu engagieren – auch und gerade nach dem Abgang des »Alten«.

Als Begleiter für diesen anspruchsvollen Wandel engagiert der scheidende Unternehmer am besten einen Generalisten, welcher den Gesamtüberblick hat und als sein Vertrauter agiert. Dieser »consigliere« sorgt dafür, dass die Spezialisten Hand-in-Hand arbeiten. Der Unternehmer braucht diesen neutralen Gesprächspartner, der ihm allein verpflichtet ist.  

 

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