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Vom Vertrieb zur Akquisition - Erfolgreiche Absatzfunktion in gesättigten Märkten
Viele Führungskräfte kennzeichnen den Absatzbereich ihres Unternehmens traditionell mit dem Begriff »Vertrieb«. Will man damit ausdrücken, dass die Kunden aus dem Geschäft, Ausstellungsraum oder Unternehmen vertrieben werden sollen? Sicher nicht! Eher wohl die Produkte.

        


 
ndustriell gefertigt verstopfen Produkte heute die Absatzkanäle. Daher wird der Vertrieb forciert. Was halten Kunden von dieser Vertriebsorientierung? Werden sie sich Mitarbeitern anvertrauen, deren Hauptaufgabe darin besteht, Produkte zu vertreiben? Fühlen sie sich gut beraten und betreut, wenn sich ihre Gesprächspartner als Vertriebsmitarbeiter verstehen? Können Mitarbeiter im Vertrieb überhaupt eine kundenorientierte Einstellung entwickeln?

So viel ist bei genauerer Betrachtung klar: Die Absatzfunktion eines Unternehmens mit Vertrieb zu überschreiben, ist kritisch einzustufen. Der Begriff Vertrieb drückt eine mangelnde Sensibilität und eine nicht zeitgemäße mentale Einstellung seinen Kunden gegenüber aus. Nomen est omen. Wie sollte die Absatzfunktion heute treffend überschrieben sein?

Vom Vertrieb zur Akquisition
Die wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen einer Branche oder Gesamtwirtschaft prägen den Absatzprozess und das diesem Prozess zugrunde liegende Aufgabenverständnis entscheidend. Dieses Aufgabenverständnis drückt sich auch im Sprachgebrauch aus: Vertrieb, Verkauf, Akquisition meinen daher nicht das Gleiche.

Der Begriff Vertrieb beschreibt treffend die Absatztätigkeit in Verkäufermärkten. Hier übersteigt die Nachfrage deutlich das Angebot. Das betriebliche Geschehen konzentriert sich daher auf die Produktion. Vertrieb ist vor allem eine logistische Herausforderung.

Der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage führt zu einem neuen Verständnis im Absatzgeschehen. Das Marketing übernimmt die Aufgabe, die Vorteile eines Produktes im Wettbewerbsvergleich deutlich zu machen. Der persönliche Verkauf hat diese Vorteile in kundenindividuelle Nutzenargumente zu übertragen. Der Verkauf muss Verkaufsabschlüsse erzielen. Professionelle Verkaufsfertigkeiten stehen im Mittelpunkt jeder Verkäuferausbildung. Das Verkaufsgespräch rückt in das Zentrum der Absatztätigkeit.

Seitdem das Angebot die Nachfrage deutlich übersteigt, ist die Konzentration auf das Verkaufsgespräch nicht mehr ausreichend. Ein professionell geführtes Gespräch genügt nicht, kritische und sensible Interessenten zu Käufern zu entwickeln. Stattdessen geht es um eine nachhaltige Kontaktierung systematisch ausgewählter Kunden. Sie sind kontinuierlich über die Position des Unternehmens im Marktgeschehen zu informieren.

Dieser komplexe Prozess wird als Akquisition bezeichnet. Der Begriff Akquisition ist auf die lateinischen Begriffe quaerere = suchen, fragen und acquirere = (sich) erwerben zurückzuführen. Akquisition bedeutet also, Kunden zu suchen und anzusprechen, die das Leistungspotential eines Unternehmens potentiell als wertvoll oder zumindest nützlich einstufen werden. Gleichzeitig geht es darum, sich das Vertrauen dieser Kunden durch echtes Interesse und individuelle Fragen zu erwerben und dies trotz des drückenden Wettbewerbs. Dazu müssen Verbesserungsmöglichkeiten im System eines Kunden analysiert werden, für die eigene geeignete Produkt- und Dienstleistungsangebote entwickelt und offeriert werden.

Der Akquisitionsprozess
Echtes Kundeninteresse, Systematik und Nachhaltigkeit kennzeichnen das moderne Absatzverständnis bzw. die zeitgemäße Kundenansprache. Jeder Kundenkontakt durchläuft von der Erfassung bis zum erfolgreichen Abschluss einen Prozess, der in zehn Phasen untergliedert werden kann.

Fragen in Bezug auf die eigene Unternehmensstrategie, das eigene Profil und die Kernkompetenzen müssen vor Beginn des Akquisitionsprozesses geklärt sein. Das Leistungspotential des Anbieters muss dem Verkaufsberater klar sein. Die Unternehmensstrategie darf keine Interpretationen zulassen. Ohne klare Rahmenbedingungen kann Kundenorientierung zu Sonderlösungen führen, die das Unternehmen bei der Abwicklung überfordern. Der auf dieser Basis aufsetzende Akquisitionsprozess muss strukturell im Unternehmen verankert sein.

1. Zielkundenerfassung
Zu Beginn des Akquisitionsprozesses müssen ausgewählte Kunden als Zielkunden qualifiziert werden. Kunden, die als Zielkunden eingestuft werden, sind Organisationen oder Einzelpersonen, die in einem eindeutig bestimmten Zeitraum von der Kompetenz des akquirierenden Unternehmens überzeugt werden und einen Verkaufsabschluss tätigen sollen. Diese Zielkunden werden in einer Datenbank erfasst, die alle Informationen über den Kunden bündelt. Alle Mitarbeiter, die mit einem Zielkunden in Kontakt treten, sind mental überzeugt, dass es zum Auftrag kommen wird (sonst hat man etwas falsch gemacht). Dieser Prozess kann bei umfangreichen Transaktionen durchaus zwei bis drei Jahre dauern.

2. Statuserfassung
Bevor Zielkunden kontaktiert werden, informieren sich Verkaufsberater systematisch über das interessierende Unternehmen. Informationsquellen sind zunächst das Internet und Geschäftsberichte. Gegebenenfalls kann man auch Kontakt zum Kunden aufnehmen und nach weiteren Daten fragen. Dass man das Unternehmen als Kunden gewinnen möchte, aber vorab noch Fragen über das Unternehmen hat, sollte klar kommuniziert werden.

3. Kontaktierung
Mit der Kontaktierung ist die Informationserfassung abgeschlossen. Der Kontakt wird mit dem Ziel aufgenommen, eine Geschäftsbeziehung zu etablieren. Der Kontakt zum Kunden kann per Brief, E-Mail oder Anruf hergestellt werden bzw. durch mehrere dieser Maßnahmen Schritt für Schritt realisiert werden. Auch jeder einzelne Kontakt wird systematisch geplant und zielorientiert verfolgt.

4. Bedürfniserfassung
Bei der Bedürfniserfassung geht es um die Eingrenzung und Erfassung potentieller Bedürfnisse eines Kunden. Es wird eine wünschenswerte Situation ausgelotet und ein Bedürfnis sozusagen im Konjunktiv herausgearbeitet. (Es wäre gut, wenn...; Wir könnten uns vorstellen, dass...) In dieser Phase haben Verkaufsgespräche das Ziel, Bedürfnisse bewusst und transparent zu machen.

5. Bedarfsbildung
Aus den Bedürfnissen resultiert bei konsequenter Nachverfolgung ein konkreter Bedarf. Dazu werden auf Kundenseite Budgets gebildet und Investitionsanträge vorbereitet. In dieser Phase reagiert der Verkauf mit Angeboten, Leistungsbeschreibungen und Nutzenargumentationen. Verkaufsgespräche werden durch eine Vielzahl schriftlicher Argumente und Beweise flankiert.

6. Auswahlprozess
Im Auswahlprozess bewertet der Kunde die vorliegenden Informationen. In dieser Phase kann ein qualifizierter Verkäufer Beurteilungskriterien bereitstellen und die Auswahl objektivieren bzw. erleichtern. Die eigene Position kann durch die Gewichtung von Entscheidungskriterien verbessert werden. Viele Einkäufer möchten sich für die gebotene Lösung des Verkäufers entscheiden, müssen diese Auswahl gegenüber Vorgesetzten jedoch argumentativ vertreten. Mit einer Nutzwertanalyse bietet der erfahrene Verkäufer dem Kunden eine Entscheidungshilfe an.

7. Entscheidungsphase
In der Entscheidungsphase kann der Verkaufsberater keinen Einfluss ausüben. Die Einkaufsempfehlung des Einkaufsgremiums liegt dem Entscheider verbindlich vor. Der eigentliche Entscheidungsprozess ist für den Verkäufer eine »Black Box«. Das Entscheidungsergebnis ist zu respektieren. Bei einer erfolgreichen Entscheidung beginnt die Realisierungsphase. Andernfalls startet der Akquisitionsprozess neu.

8. Realisierungsphase
In dieser Phase wird das Angebot pünktlich, zuverlässig und einwandfrei umgesetzt. Der Verkaufsberater begleitet die Realisierung und schaltet sich als Moderator bzw. Koordinator nur dann ein, wenn es der Kundenzufriedenheit dient.

9. After Sales
Nach der Realisierungsphase findet eine Auftragsnachbesprechung statt, erst intern im eigenen Unternehmen, dann gemeinsam mit dem Kunden. Kritik bzw. Reklamationen des Kunden sollten als Zeichen von Vertrauen verstanden werden. After Sales bedeutet, die positiven Erfahrungen zu fixieren und Nachbesserungen umgehend durchzuführen.

10. Cross Selling
Wenn ein gutes Verhältnis zum Kunden aufgebaut ist, macht der Kunde möglicherweise sogar selbst auf weiteren Beratungsbedarf in seinem Unternehmen aufmerksam. Es geht darum, Folgeaufträge oder Weiterempfehlungen zu initiieren und die Geschäftsbeziehung zum Kunden zu festigen.

Der Kunde ist der Kundige
Verkaufsgespräche finden in allen Prozessphasen statt und müssen über den ganzen Prozess hinweg immer wieder ausgewertet werden. Es geht darum, kritisch zu beobachten, ob und wie der Prozess voran gebracht werden kann. Es bewährt sich, regelmäßig den Status eines Kunden mit Kollegen und Vorgesetzten zu reflektieren und neue Ideen zu entwickeln, wie das Interesse eines Kunden wach gehalten bzw. gesteigert werden kann. Es genügt nicht, sich auf den Bedarfsfall einzustellen und auf Anfrage zu reagieren, sondern auf die Gestaltung der Anfrage sollte bereits Einfluss genommen worden sein.

Kundenkontakte dienen nicht der Kundenpflege, noch der Kundenbetreuung oder Kundenbindung. Denn Kunden sind keine Pflege- oder Betreuungsfälle; noch weniger lassen sie sich binden. Die Kunden sind die Kundigen und sehr wohl in der Lage, autonom zu agieren und Entscheidungen zu treffen. Sie werden partnerschaftlich durch Menschen angesprochen, die als Berater ausgebildet sind und als Verkäufer die Interessen des eigenen Unternehmens vertreten. Die begleitende Aufgabe des Marketings ist es, die Aufmerksamkeit der Kunden zu wecken und zu stabilisieren und damit Anlässe zu schaffen, die Kunden zu kontaktieren.