Wissensmanagement ist weit mehr als das Sammeln und Verteilen von Wissen mit Hilfe von Computersystemen. Herrscht nicht die geeignete Kultur des Lernens im Unternehmen, ist ein informelles Gespräch am Kaffeeautomaten ein erfolgreicheres Werkzeug des Wissensmanagements als die leistungsfähigste Technik.
issensmanagement umfasst den Zyklus von (Be-)Schaffen, Dokumentation, Sichern und Verbreiten von Wissen und Erfahrungsextrakten. Es kennt verschiedene Anwendungen: Betriebliche Wissenspools im Internet und Intranet, Yellow Pages mit Hinweisen auf die Kompetenzen und Qualifikationen einzelner Mitarbeiter, E-Learning als innovative Form der Wissensvermittlung, Computer-Portale als Orte thematischer Begegnungen, Content- und Dokumentenmanagement als virtueller Workspace. All diese Anwendungen können dem Lernen des Menschen dienlich sein und den Wertschöpfungsfaktor »Wissen« mehren.
Erklärtes Ziel des Wissensmanagements ist es, dass nicht nur stets der richtige Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Ort steht, sondern dass er darüber hinaus auf den gesamten Wissenspool eines Unternehmens zur Lösung betrieblicher Organisationsfragen sowie zur Bearbeitung von Kundenaufträgen zurückgreifen kann.
Wissensmanagement als Gemeinschaftsaufgabe
Das Wissensmanagement ist darauf gerichtet, im Unternehmen vorhandenes Wissen an jeder Stelle im Unternehmen potenziell nutzbar zu machen, Doppelbearbeitung zu vermeiden und das Rad nicht immer wieder neu zu erfinden. Dadurch lässt sich etwa der Aufwand für die Bearbeitung von Problemfällen durch die Speicherung von allen bisherigen Problemlösungen erheblich reduzieren, wenn Störungen ähnlich oder identisch immer wieder auftreten.
Kreative Lernprozesse aller Art werden systematisch und geplant eingesetzt, um das bereits im Unternehmen vorhandene Wissen nach Vorgaben geschäftspolitischer Zielsetzungen zu erweitern, u.a. durch eine teamähnliche Kooperation räumlich getrennter Mitarbeiter bzw. Abteilungen auch über eine größere Distanz hinweg.
Ein strategieorientiertes Wissensmanagement dokumentiert stets auch nach einem Soll-Ist-Abgleich diagnostizierte Wissensdefizite im Unternehmen und begreift es als eine Gemeinschaftsaufgabe, diese durch gezielte Maßnahmen aufzulösen, um das so erarbeitete neue Wissen schließlich unternehmensweit zu verbreiten.
Wissen als vierter Wirtschaftsfaktor
Strategisch gesehen ist ein funktionierendes Wissensmanagement von existenzieller Bedeutung. Dies drückt sich auch darin aus, dass Ökonomen im »Wissen« immer häufiger neben den bekannten Größen Boden, Kapital und Arbeit nicht nur einen vierten Wirtschaftsfaktor sehen, sondern diesem zugleich für die Zukunft die größte Bedeutung beimessen.
Praktiziertes Wissensmanagement setzt sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitern die Bereitschaft voraus, ihr Wissen zu teilen, voneinander zu lernen und offen aufeinander zuzugehen. Dies funktioniert nur in einem durch Vertrauen geprägten Umfeld. Ein Umfeld, das sich durch Transparenz, Ehrlichkeit und wechselseitige Unterstützung auszeichnet.
Datenschrott trotz moderner Technik
Wo eine solche Unternehmenskultur noch nicht entwickelt ist, hat das Wissensmanagement keine wirkliche Chance. Allerdings: Immer noch wird dem Aufbau einer tragfähigen »Wissenskultur« viel zu wenig Beachtung geschenkt. Gleichzeitig wird vielerorts der Faktor Informationstechnik deutlich überschätzt. Folge: Die Unternehmen verfügen dank »Wissensmanagement« über eine erstklassige technische Ausstattung, produzieren damit jedoch nur Datenschrott.
Bis zur vollständigen Umsetzung eines gut funktionierenden Wissensmanagements ist es für viele Unternehmen noch ein weiter Weg. Und der ist auch mit massiven Investitionen in die Informationstechnologie nicht zu verkürzen. Denn Wissensmanagement ist weit mehr als die Dokumentation von Wissen und das Sammeln und Auswerten von Best-Practice-Beispielen.
Wissensmanagement muss das Lernen im Betrieb unterstützen und dafür sorgen, dass das in Personen, Teams oder Strukturen vorhandene Wissen nachvollziehbar aufbereitet und weitergegeben wird. Zwar kommt dem Internet⁄ Intranet hier eine wichtige Bedeutung zu, da Computernetze die Infrastruktur für den Wissenstransfer stellen. Doch aufbereitet wird das Wissen im Erfahrungsaustausch, der in aller Regel nicht über den Computer läuft, sondern über eine Face-to-Face-Kommunikation in Teams, im informellen Gespräch am Kaffeeautomaten, im Gedankenaustausch in Lernecken, auf Workshops usw. Erst wenn das hier freigesetzte Wissen aufbereitet und dokumentiert ist, kommt die Stunde der Informationstechnologie.
Technik ist nur das Werkzeug
Management-Berater wie die US-Amerikaner Davenport und Prusak haben stets darauf hingewiesen, dass Wissensmanagement nur in geringen Teilen eine technologische Problematik darstellt. Gerade aus diesem Grund ist die Fokussierung technischer Fragen in vielen Projekten wenig nachvollziehbar. Denn Wissensmanagement berührt nur insofern technische Fragen, als es um seine Bedienung, sprich: der Medien des Datenaustausches (Computer, Intranet bzw. Internet, Software) geht.
Zwar kann im Einzelfall auch die Bedienung der Werkzeuge bereits eine erste Barriere darstellen, wie Erfahrungen mit Groupware-Systemen zeigen, die bei ihrer Nutzung nicht über den Einsatz der E-Mail-Funktion hinausgekommen sind. Das Vorhandensein einer Technik ist eben nicht die alleinige Voraussetzung für eine bessere Kooperation. Vielmehr kommt es - eine entsprechende Qualifikation im Umgang mit der notwendigen Hardware und Software vorausgesetzt - auf die individuelle Bereitschaft an, die Technik als ein nützliches und sinnvolles Werkzeug für die Zusammenarbeit zu benutzen, etwa beim Austausch und der Weitergabe von Wissen.
Und eben dies geschieht nicht von selbst, sondern ist an eine Vielzahl psychologischer Komponenten individueller wie organisatorischer Herkunft gekoppelt, die letztlich kooperative und kreative Formen des Miteinanders am Arbeitsplatz fördern oder blockieren. Und so darüber entscheiden, ob Wissensmanagement-Projekte eine produktive Basis bilden oder lediglich Datenschrott produzieren.