Führung gelingt besser durch treffsichere Rollenverständnisse
Jede Aufgabe im Unternehmen generiert ein dazu gehöriges Rollenverständnis. Nur wenn die eigene Rolle klar nachvollziehbar ist, kann jeder Mitarbeiter auf den Unternehmenszweck hinarbeiten. Wie gelingt es nun der Unternehmensführung, ein geeignetes Rollenverständnis zu schaffen?

Gerhard Zapke-Schauer

        


 
er Begriff Rollenverständnis wird im Managementalltag oftmals gebraucht, ohne sich seiner tatsächlichen Bedeutung bewusst zu sein.

Gabler Wirtschaftslexikon schreibt dazu: »Rolle: Begriff aus der Sozialpsychologie, Bündel von Verhaltenserwartungen, die mit einer bestimmten sozialen Position verknüpft sind.«1

Und weiter: »Rollenkonflikt: Form des Konflikts zwischen widerstrebenden Erwartungen an einen Positionsinhaber
Arten:
a) Intra-Rollen-Konflikt: widersprüchliche Erwartungen, die sich an einen Positionsinhaber richten. z.B. Eltern kontra Schulleiter an einen Lehrer
b) Inter-Rollen-Konflikt: Widersprüchliche Erwartungen, denen sich eine Person, die unterschiedliche Positionen inne hat, z.B. Lehrer, Mitglied einer politischen Partei, ausgesetzt sieht.«2

Interessanterweise beziehen sich diese Definitionen alle auf Erwartungen an eine Person und weniger auf das Eigenverständnis dieser in einer bestimmten Lebenssituation. Im Management-Alltag kommen beide Formen vor, also was erwartet man von einer Führungskraft und wie positioniere ich mich selbst und meine Verhaltensweisen als Führungskraft.

Spaemann definiert den Umgang mit der eigenen Rolle: »Das Wissen des gebildeten Menschen ist strukturiert. Was er weiss, hängt miteinander zusammen. Und wo es nicht zusammenhängt, da versucht er, einen Zusammenhang herzustellen oder wenigstens zu verstehen, warum dies so schwer gelingt. Er lebt nicht so in verschiedenen Welten, dass er bewusstlos von der einen in die andere hinübergleitet. Er kann verschiedene Rollen spielen, aber es ist immer er, der sie spielt.«3

Shareholder als Beobachter des Rollenverständnisses
Das Rollenverhalten stellt nicht nur innerhalb eines Unternehmens eine wichtige Größe dar, auch Beobachter von außen, z.B. Shareholder befassen sich mit dem Rollenverständnis von Führungskräften.

Buffett, der wohl erfolgreichste, inzwischen Milliarden-schwere Investor schreibt im Jahresbericht seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway:
»Können wir den Wert eines Managements wirklich einschätzen? Die Beurteilung von Führungskräften auf der Basis der Kriterien - Rationalität, Aufrichtigkeit und unabhängiges Denken - ist schwieriger als die Messung der finanziellen Leistung, schon allein deshalb, weil Menschen komplexer sind als Zahlen. So eindrucksvoll das Management eines Unternehmens auch sein mag, wir investieren niemals in Menschen allein. Wenn Manager, die in dem Ruf stehen brillant zu sein, sich eines Unternehmens annehmen, das bekannt für seine schlechten wirtschaftlichen Fundamentaldaten ist, wird letztendlich die Firma ihrem Ruf gerecht werden «.4

Buffett blickt sehr wohl auf die genannten Kriterien - Rationalität, Aufrichtigkeit und unabhängiges Denken - wenn er Investments in Unternehmen vornimmt, die erfreuliche wirtschaftliche Daten haben.

CEO als Beobachter eigenen Rollenverständnisses
Stimmt es nun, dass angeschlagene Unternehmen (Unternehmensteile) nicht durch geeignete Rollenverständnisse verbessert werden können? Stimmt dagegen die Aussage, dass erfolgreiche Unternehmen sich schlechter entwickeln, wenn die Rollenverständnisse der Leitung fehlerhaft sind?

Als Louis Gerstner den Chefsessel von IBM übernahm, stand es nicht gerade rosig um das Unternehmen. Er selbst beschreibt sein Rollenverständnis, das den Turnaround schaffte:
»Hervorragende, engagierte Menschen bringen alles in Bewegung, besonders wenn sie als Mannschaft zusammenarbeiten. Die beste Methode, Bürokratie und Revierkämpfen ein Ende zu setzen, besteht darin, jeden wissen zu lassen, dass wir Teamwork hochschätzen und belohnen, ganz besonders, wenn sich die gemeinsame Arbeit darauf konzentriert, unseren Kunden hochwertige Güter zu liefern.

Wir achten auf die Bedürfnisse all unserer Mitarbeiter und der Gemeinwesen, in denen wir arbeiten. Dies ist nicht nur ein Lippenbekenntnis. Wir wollen, dass unsere Leute den Freiraum und die Ressourcen haben, die sie brauchen um zu wachsen. Und wir wollen, dass es den Gemeinwesen, in denen wir unsere Geschäfte betreiben, besser geht, weil wir da sind.

Was kann ein CEO tun, um die Einstellungen, Verhaltensweisen und das Denken seiner Leute zu verändern? Selbstverständlich haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Motive. Bei einigen steht Geld an erster Stelle, bei anderen der berufliche Aufstieg, bei manchen auch Anerkennung. Für einige ist die wichtigste Triebkraft Angst oder Zorn. Es gibt noch viele weitere Motive; es kann das Lernen sein, die Möglichkeit, etwas zu bewirken, oder mit ansehen zu können, wie die eigenen Bemühungen konkrete Resultate zeitigen. Menschen kann man aufrütteln, indem man Untergangsszenarien ausmalt. Aber die meisten kann man erreichen, wenn man ihnen eine überzeugende Zukunftsvision vermittelt.«5

Alle bedeutenden Führungskräfte beschrieben die Wichtigkeit des Rollenverständnisses in kritischen Situationen. Dabei wird immer darauf hingewiesen, dass man am eigenen Rollenverständnis arbeiten muss, um die anschließende Wirkung dieser Rolle auf die nachfolgenden Mitarbeiter zu erhalten.

Es handelt sich also um einen sozialen Kommunikationsprozess, der im Start weniger auf die Interaktion sondern mehr auf die Selbstreflexion ausgerichtet ist. Ist diese Selbstreflexion in geeigneter Weise erledigt und andauernd, stellt sich die soziale Wirkung ein.

Dahrendorf vertritt dazu eine umgekehrte Ursachen-Wirkungskette: »Der Akteur wird durch die soziale Funktion, die er wahrnimmt, zu seinen Handlungen motiviert. Ein Modell, das einen derart motivierten Akteur zugrunde legt heisst: homo sociologicus.«6

Dass solche rollenorientierten Akteure eine wichtige Stellung besitzen, wird nicht nur in der Soziologie, sondern auch in der politischen Philosophie untersucht.7

Nun ist zwar leicht nachzuvollziehen, dass herausfordernde Führungspositionen eine Wirkung auf den Stelleninhaber haben und damit seine soziale Rolle determinieren, trotzdem bleibt offen, ob sich diese Determination gänzlich von alleine in voller Wirkung, sozusagen automatisch nach der Beförderung, einstellt, oder ob es nicht doch sinnvoll wäre, als Stelleninhaber über eine geeignete Rolle nachzudenken, die das Führungsgeschehen erleichtert.

Ulrich Peter schreibt dazu: »Führungsethik mündet in eine Selbstreflexion von Führungskräften, die ihr Selbst- und Rollenverständnis nicht mehr nur vom betriebswirtschaftlichen Erfolg im üblichen Sinn her definieren, sondern den persönlichen und gesellschaftlichen Sinn ihrer harten Arbeit in der umfassend verstandenen wirtschaftlichen Wertschöpfung suchen. Denn für wirklich führende Führungskräfte heisst Wirtschaften: gemeinsam mit anderen für andere Werte schaffen.«8

Diese Art der Selbstreflexion bezieht sich also deutlich auf ein Verständnis, welche Aufgabe zu erledigen ist, und dass man in dieser Aufgabe eine leitende Funktion hat. Leitend kann nur bedeuten, andere zu etwas anzuleiten, was dem Unternehmenszweck dient, und was man selbst nicht durchführt. Es ist also nur konsequent, wenn Rollenverständnisse von Führungskräften den Bezug zu den Menschen fokussieren, die man führt. In dieser Beziehung zum anderen scheint das Geheimnis eines sinnvollen Rollenverständnisses verborgen zu sein.

Jack Welch, der das Unternehmen mit dem derzeit höchsten Marktwert geschaffen hat, formulierte dies so:
»Führungskräfte benötigen Integrität« und auf die Frage eines Mitarbeiters: »Wie kann man gleichzeitig ein guter Katholik und ein guter Geschäftsmann sein?« antwortet er: »Indem man stets seine Integrität bewahrt. Weder in guten noch in schlechten Zeiten bin ich von diesem Grundsatz abgewichen. Auch wenn jemand anderer Meinung war als ich - und das kam oft genug vor - konnte er sich darauf verlassen, dass ich fair blieb.«

Führungskräfte geben den Ton an
»Die Organisation orientiert sich an den Führungskräften. Auf meinen Geschäftsreisen arbeitete ich 16 Stunden am Tag. Ich erreichte hunderte, wenn nicht sogar tausende von Menschen. Bei jeder Personalbesprechung setzte ich mich mit den Gewerkschaftsführern zusammen. Ich versuchte, Ihre Anliegen zu verstehen, damit sie meine verstanden. Ich wollte jemand sein, den jeder bei GE kannte.«

Zuerst die Menschen, dann die Strategie
»Für eine Aufgabe die richtigen Leute zu finden ist wesentlich wichtiger als eine Strategie zu entwickeln. Wir mussten erkennen, dass uns die brillantesten Strategien nichts nutzten, wenn wir nicht die richtigen Leute mit der Durchführung betrauten.«

Selbstbewusstsein:
»Arroganz ist tödlich, und übermässiger Ehrgeiz kann dieselbe Wirkung haben. Arroganz und Selbstbewusstsein liegen sehr nahe beieinander. Berechtigtes Selbstvertrauen ist eine Siegerqualität. Der beste Beweis für Selbstbewusstsein ist Offenheit für Veränderungen und neue Ideen - egal aus welcher Quelle sie stammen."

Diagramme entwerfen:
»Ich war vermutlich der einzige Geschäftsführer, der mit 65 Jahren Diagramme für Präsentationen immer noch selbst zeichnete. Diagramme zu entwerfen hat mir mehr als alles andere geholfen, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Ein komplexes Problem auf ein einfaches Diagramm zu reduzieren, ist ein faszinierender Prozess. Vor jedem Meeting mit Analysten sass ich stundenlang mit meinen Mitarbeitern zusammen und entwarf ein Diagramm nach dem anderen. Ich liebte es einfach und habe enorm davon profitiert. Das Verrückte daran war, dass wir unsere letzte Präsentation immer für unsere beste hielten.«9

Selbstreflexion als Dialog mit sich selbst
Aber es scheint zusätzlich wichtig zu sein, mit sich selbst in einen gewissen Dialog zu treten und eine Meinung über sich selbst aufzubauen. Es gibt bekannte Schulen, die ihre Studenten mit diesem Aspekt der Führung eng vertraut machen. An der Harvard University, School of Business findet jährlich das AMP (Advanced Management Program) statt. Mark Stevens, ein Studienabgänger berichtet:

»Für einige Manager liegt der Schlüssel zu erfolgreicher Führung darin, sich mit einem bestimmten Rollenmodell zu identifizieren: Wenn ich hin und wieder eine Entscheidung revidieren muss, weil meine Vorgesetzten nicht damit einverstanden sind, werde ich das als Preis für den Eintritt in die Führungsetage betrachten. Natürlich ist es nie angenehm, wenn man kritisiert wird, doch lasse ich mich davon nicht mehr beirren, sondern konzentriere mich darauf, dass mein Geschäftsbereich und mein Team gut im Rennen liegen, und dass wir die Konkurrenz durch unsere Schnelligkeit und unsere Entschlossenheit abhängen.

Das ist die Idee, die hinter dem Ansatz der offensiven Führung steht: die Dynamik der Führung aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und die Autorität und Privilegien, die sie mit sich bringt, effektiv einzusetzen. Egal, ob Sie in diesem Abschnitt lernen, entschlossener, kreativer, kooperativer, visionärer oder pragmatischer zu sein: Das Ziel besteht durchweg darin, sich von den anderen abzuheben und in die Führungsetage aufzusteigen. Betrachten Sie es als Karrierekonzept der Harvard-Eliteausbildung und jener Absolventen, die sich im Unternehmenssektor ihre Sporen verdient haben.«10

Visibilität, ein Teil des Rollenverständnisses
»Anders sein« heißt hier offensichtlich die Devise. Dadurch sichtbar zu werden und auf sich aufmerksam zu machen, um über diesen Weg in Positionen berufen zu werden, die denjenigen, die nicht sichtbar sind, verschlossen bleiben. (Dies ist kein Argument gegen Schulen dieser Art, der Autor hat sie selbst besucht.)

Wenn man Giulianis Bericht, Bürgermeister der Stadt New York, über seine Tage nach dem 11. September 2001 liest, dann kann man wohl unschwer erkennen, dass das Selektionsprinzip für neue Positionen durch Visibilität gefördert wird.

»Im Rückblick will mir erscheinen, dass ich eine Fertigkeit vielleicht besser beherrschte als jede andere, nämlich die, fähige Leute um mich zu scharen. Die Runde, die am 11. September im Amt war, erwies sich als ein ausserordentlich starkes Team - vor allem wenn man bedenkt, wie viel von dem, was wir im Lichte der Katastrophe zu tun hatten, noch nie da gewesen war. Die alte Weisheit, der zufolge gute Teamarbeit jedes Mitglied der Gruppe ein Stück besser werden lässt, hat sich einmal mehr bewährt. Ich habe stets versucht, einen einfachen Grundsatz zu befolgen: Es kommt allein darauf an, die Person zu finden, die für den Job am besten geeignet ist.«11

Motivation, Teil und Risiko des Rollenverständnisses
Alle bisher angeführten Argumente für ein geeignetes Rollenverständnis bergen eine versteckte Gefahr, die noch gesondert betrachtet werden muss: Rollen dürfen nicht dazu eingesetzt werden, um sich total für das Unternehmen, in dessen Auftrag man tätig ist, zu funktionalisieren. Noch schlimmer wird es, wenn funktionalisierte Führungskräfte dies durch ihre Rolle auf die nächsten Mitarbeiterebenen übertragen. Menschen reagieren auf diese Nützlichkeitsüberlegungen äußerst sensibel. Der Interessierte mag dies unter dem Stichwort »Utilitarismus« nachlesen.

Aber wie entkommt man dieser Gefahr des »Gebrauchens« von Mitarbeitern? Manche vermuten, sie mit den Begriffen Motivation oder intrinsische Arbeitswerte einfangen zu können. Das hilft wohl ein wenig, aber dort wo Motivation deshalb eingesetzt wird, um die Mitarbeiter wieder »gefügig« zu machen, pervertiert dieses Vorgehen und zeigt deutliche Rebound-Effekte.

Motivation ist kein Versuch zur Effizienzsteigerung, es ist die Begründung (Motiv), weshalb wir im Team am Arbeitsplatz zusammenkommen. Es geht darum, die Kompetenzen des einzelnen Mitarbeiters zur Wirkung kommen zu lassen, und zwar so, dass er sich selbst als Ursache des Unternehmenserfolges verstehen und erkennen kann. In privaten Partnerschaften kommt man schließlich auch nicht zusammen, um in dem anderen eine nützliche Funktion zu sehen, sondern um »im Team« besser zu leben als alleine. Diese Aussage muss für alle »Teammitglieder« gelten und nicht nur für einen.

Obwohl Arbeitsplätze nicht dadurch definiert werden, dass man untereinander und miteinander "besser leben" sollte, sondern einen selbstgewählten äußeren Zweck haben, den Kunden in seiner Situation zu verbessern, ändert dies nichts daran, dass Rollenverständnisse von Führungskräften die menschliche, ganz persönliche Beziehung zu Mitarbeitern offenbaren.

Der Unterschied zwischen etwas und jemand
Es gelingt tatsächlich besser, ein gutes und erfolgreiches Team zu bilden, wenn man Spaemanns Überlegungen folgt:
»Es sind bestimmte Eigenschaften von Menschen, die uns dazu veranlassen, Menschen »Personen« zu nennen. Aber was wir Personen nennen, sind nicht diese Eigenschaften, sondern deren Träger. Nun gibt es offensichtlich Menschen, die über diese Eigenschaften nicht verfügen. Es könnte also sein, dass diese Menschen keine Personen sind und auf Anerkennung als Personen keinen Anspruch erheben können. Dies ist Peter Singers12 und Norbert Hösters13 auf Locke zurückgehende These.

Diese Auffassung verkennt, was Anerkennung meint. Zwar ist Anerkennung ein Akt freier Spontaneität; man kann sie verweigern.

Aber wer anerkennt, versteht Anerkennung nicht als willkürliche Setzung, sondern als angemessene Antwort.

So ist es, wenn wir ein Argument anerkennen. Die Anerkennung ist nie erzwingbar. Wer nicht will, erkennt auch das zwingendste Argument nicht an. Und es gibt umgekehrt die Kapitulation, in der man Einwände fallen lässt aus Ermüdung, Furcht oder Gefälligkeit. Wirkliche Anerkennung ist diejenige, die sich als Antwort auf einen Anspruch versteht, der von einem Argument ausgeht. Man gibt jemandem freiwillig Recht, weil er Recht hat.

Nichts anderes ist es mit der Anerkennung von Personen. Sie ist Anerkennung des Anspruchs auf einen Platz in der bereits existierenden Personengemeinschaft, nicht Kooption nach Kriterien, die von den bereits Anerkannten definiert werden.«14

Diese Aussage ist wohl eindeutig: Ob jemand aus einem Unternehmen oder einem Projekt entfernt werden sollte, darf nicht durch Kriterien entstehen, die der Leitende sich willkürlich ausdenkt. Gleiches gilt für die Aufnahme in ein Projekt oder eine neue Position.

Unternehmen werden nicht durch Leitungskräfte definiert, sondern durch ihren Zweck, auf Kunden ausgerichtet zu sein und für diese Nutzen zu schaffen.

Ein Eintritt in die Arbeitswelt und in die Unternehmung ist ein freiwilliger Zustimmungsakt des Arbeitnehmers, an diesem Zweck mitzuwirken. Versteht er sich selbst in dieser Rolle, gibt es auch keinen interpersonellen Konflikt zwischen Leitungskräften und Mitarbeitern, da alle Kritik und alles Lob an der Wirksamkeit der Aktionen des Mitarbeiters in Richtung dieses Kunden gemessen werden kann. Verfehlt man diesen Zweck, sollte der Mitarbeiter aus seinem eigenen Rollenverständnis heraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Es ist eine wichtige Aufgabe von Führungskräften, gemeinsam mit Mitarbeitern dieses grundsätzliche Rollenverständnis immer wieder ins Bewusstsein zu rufen.

Kaufleute haben die wichtige Aufgabe, das Unternehmensgeschehen so abzubilden, dass Mitarbeiter ihre eigene Ursächlichkeit zum Erfolg oder Misserfolg beim Kunden transparent nachvollziehen können.

Ein wichtiger Punkt dieser Untersuchung sollte zum Schluss herausgestellt werden: Jede Aufgabe im Unternehmen generiert wiederum ein dazu gehörendes Rollenverständnis. Stabsabteilungen sind keine Führungskräfte, Sales-People keine Mitarbeiter der Produktion, Kaufleute keine Marketeers. Man ist gut beraten, sich stark auf die jeweils passende Rolle zu konzentrieren, um sich nicht in andere Tätigkeiten einzumischen.

Dies hat dann mindestens drei Vorteile:
1. Zeit- und emotionsaufwendige Diskussionen durch »Besserwisserei« reduzieren sich. Unnötige Besetzung von Meetings wird vermieden.
2. Verantwortung (ownership) für das eigene Thema steigt an, weil sie eingefordert statt diskutiert wird. Holschulden werden besser verstanden und lösen Bringschulden ab.
3. Das berüchtigte »Silo-Denken« verringert sich, da eine Konzentration auf die eigene Rolle nur Sinn macht, wenn man die Schnittstellen zu anderen genau bedenkt und prüft, was man abzuliefern gedenkt.

Einigkeit macht stark

Es gilt das alte Gesetz der Biologie: Das erfolgreiche Prinzip »Leben« beruht auf der klaren Isolation der einzelnen Zelle und ihrer Befähigung, mit der Umgebung zu interagieren. Es beruht nicht in der Auflösung der Zellmembran und der Verschmelzung mit der Umgebung. Nicht »Eins-Sein« macht stark, sondern »Einigkeit«.

Business Development oder andere bereichsübergreifende Tätigkeiten kommen in dem Maße schneller voran, wie sie Integration der Individualitäten vor den Versuch des Ineinanderfließens stellen. Aber auch dieses Prinzip kennen wir aus unserer privaten Situation, denn Ehen sind nicht der Versuch, Individuen anzugleichen, sondern sie in ihrer Verschiedenheit zu einem Neuen zu kombinieren.

Wie sagt Giuliani: »Es kommt allein darauf an, die Person zu finden, die für den Job am besten geeignet ist.«  

 

1 Gabler Wirtschaftslexikon, 2000
2 Gabler, a.a.O.
3 Spaemann, Robert: Wer ist ein gebildeter Mensch?, Scheidewege, Jahresschrift für skeptisches Denken, 24. Jahrgang 1994/95, S. 34-37
4 Berkshire Hathaway Jahresbericht 1985, S.9
5 Gerstner, Louis V.: Wer sagt, Elefanten können nicht tanzen? Der Wiederaufstieg von IBM, 2002
6 Dahrendorf, R.: Homo sociologicus. Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der sozialen Rolle, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1958, 10, 178-208
7 Schumpeter, Joseph A.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie
8 Ulrich, Peter: Führungsethik, in: Handbuch der Wirtschaftsethik, 1999
9 Welch, Jack: Was zählt, 2001
10 Stevens, Mark: Der Elite Manager. Erfolgreich mit dem Wissen der Harvard Business School, 2002
11 Giuliani, Rudolph W.: Leadership. Verantwortung in schwieriger Zeit, 2002
12 Singer, P.: Praktische Ethik, Stuttgart 1984
13 Hörster, Norbert: Neugeborene und das Recht auf Leben, 1995
14 Spaemann, a.a.O.
 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0308a/0308a.htm